Reagans Zickzackkurs am Golf

Washington (taz) -Es war eine hektische Woche für die mit dem Golfkrieg befaßten Politiker in Washington. Während die diplomatischen Bemühungen, den Iran im Rahmen der Vereinten Nationen zu einem Waffenstillstand in seinem seit sieben Jahren andauernden Krieg mit dem Irak zu bewegen, in einer Sackgasse gelandet sind, kam es gleichzeitig im Persischen Golf zur ersten militärischen Auseinandersetzung der USA mit dem Iran. Während US– Verteidigungsminister Weinberger im Golf den iranischen Minenleger „Iran Ajr“ inspizierte und Durchhalteparolen an die Truppe ausgab, rang der Senat in Washington um eine einheitliche Position zum jüngsten militärischen Abenteuer der Reagan–Administration - bisher erfolglos. Bevor UN–Generalsekretär Perez de Cuellar vor zwei Wochen in die Hauptstädte der beiden kriegführenden Länder gereist war, bestand innerhalb der Reagan–Administration die Hoffnung, den Iran zu einem Waffenstillstand bewegen oder zumindest in einen diplomatischen Friedensprozeß hineinziehen zu können. Diese Hoffnung beruhte auf diplomatischen Signalen, die Teheran über Drittländer - die Schweiz, Algerien und Japan - an die Adresse Washingtons gerichtet hatte. Außerdem war immer deutlicher geworden, daß der Iran zunehmend in finanzielle und Versorgungsschwierigkeiten gekommen war und dringend auf ein Nachlassen der Feindseligkeiten angewiesen schien, damit er seine Ölexporte ausweiten und so seine Devisenkassen auffüllen könne. Doch herrschte bei Mitgliedern der Reagan–Administration die Befürchtung, die Konzessionsbereitschaft des Teheraner Regimes gehe nur so weit, eine inoffizielle und zeitweise Feuerpause zuzulassen, um dann in einigen Monaten eine neue Landoffensive starten zu können. Als Perez de Cuellar in Teheran ankam, um mit der iranischen Regierung über die Forderung des Sicherheitsrats nach einem Waffenstillstand zu verhandeln, wurde ihm entsprechend der US–amerikanischen Erwartungen ein verkürzter Forderungskatalog der Ayatollahs vorgelegt. Darin war nicht mehr vom Sturz des irakischen Präsidenten Saddam Hussein die Rede, doch die Iraner machten keinen Hehl daraus, daß ein internationales Gremium den Irak als Auslöser des Konflikts brandmarken müsse, um so dem Iran die Tür zu Reparationsforderungen in Milliardenhöhe zu öffnen. Sobald dieses Gremium zusammengetreten sei, sei der Iran zu einem inoffiziellen Waffenstillstand bereit. Der Irak dagegen verlangt eine formelle Beendigung der Feindseligkeiten, bevor die übrigen Fragen behandelt werden können. Im Sicherheitsrat der Vereinten Nationen war diese neue iranische Haltung ausreichend, um diplomatischen Bemühungen eine weitere Chance geben zu wollen. Bei den Vereinigten Staaten erweckte dies äußersten Unmut und führte zu ultimativen Äußerungen Präsident Reagans, der am vergangenen Sonntag vor der UN– Vollversammlung den Iran aufforderte, seine Zustimmung zur Waffenstillstandsforderung des Sicherheitsrats zu erklären. Andernfalls bleibe jenem „keine andere Wahl, als umgehend Maßnahmen zu dessen Durchsetzung“ zu beschließen - also das von den USA befürwortete Waffen–Embargo. Reagan muß zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits bekannt gewesen sein, daß es für einen derartigen Schritt keine Basis im Sicherheitsrat mehr gab - wenn sie denn jemals bestanden hatte. China etwa, das in den ersten sieben Monaten dieses Jahres Waffen im Wert von 400 Millionen Dollar an den Iran geliefert hat, galt als Gegner eines Embargos. Es dauerte aber bis Freitag, daß Außenminister Shultz in New York bekanntgab, man werde der Diplomatie nun doch noch eine Chance geben. Zuvor war deutlich geworden, daß auch die Sowjetunion einem Embargo ihre Zustimmung verweigern würde. Der Sicherheitsrat wird wahrscheinlich erst nach dem 1. Oktober entscheiden, welche diplomatischen Initiativen ergriffen werden sollen. Trotz der Bemühungen um einen Waffenstillstand bleibt die Gefahr, daß der massive Flottenaufmarsch im Persischen Golf eine größere militärische Konfrontation auslöst. Zwar hat der Iran insgeheim angedeutet, daß er keine Auseinandersetzung mit den USA im Golf sucht, doch sind Aktionen wie der Angriff auf die „Iran Ajr“, die am Samstag morgen von der US–Marine auf offener See zur Explosion gebracht und versenkt wurde, denkbar ungeeignet, die Verhandlungsbereitschaft des Iran zu fördern. Solange Teheran keine deutlichere Bereitschaft zu einem baldigen Waffenstillstand zeigt, wird auch der Irak seine Angriffe auf iranische Öltransporte fortsetzen und so die ökonomische Nabelschnur des Khomeini–Regimes zu zerschneiden versuchen. Der Weg zum Ende der Feindseligkeiten bleibt eine riskante Gratwanderung. Stefan Schaaf