amnesty contra Bonner Asylpolitik

■ amnesty international stellt Jahresbericht vor: Situation für Flüchtlinge in der BRD immer schwieriger / Vernichtendes Zeugnis für Chile und die Türkei / Kritik an deutscher Justizpraxis zu Totalverweigerern und „Terroristen“ / Berliner Abschiebepraxis verurteilt

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Der Menschenrechtler Blüm bekam gestern von amnesty international einen gehörigen Dämpfer verpaßt. Wer politischen Flüchtlingen im eigenen Land keinen Schutz gewähre, habe das Recht verwirkt, Menschenrechtsverletzungen in anderen Ländern anzuprangern, sagte die Generalsekretärin der deutschen ai–Sektion, Brigitte Erler, bei der Präsentation des neuen Jahresberichts ihrer Organisation. Denn für politische Flüchtlinge werde es immer schwerer, in der BRD aufgenommen zu werden. Eine Vorreiterrolle bei der verschärften Abschiebepraxis spiele Berlin. Brigitte Erler forderte von der Bundesregierung, Flüchtlinge willkommen zu heißen und psychosoziale Zentren für Folteropfer zu finanzieren. Auch in anderen europäischen Ländern sowie den USA und Kanada hat sich durch die Verschärfungen der Asylbestimmungen die Lage von Flüchtlingen laut amnesty deutlich verschlechtert. In Chile selbst fand amnesty nicht nur 14 Folteropfer, sondern stellte eine „routi nemäßige Anwendung von Folter“ fest, nicht nur durch den staatlichen Geheimdienst, sondern auch durch uniformierte Polizei. Ein vernichtendes Zeugnis stellt der Bericht dem NATO– Land Türkei aus: Folterungen und Mißhandlungen von Gefangenen wurden dort im vergangenen Jahr fortgesetzt; der türkischen Nationalversammlung lagen 124 Todesurteile zur Ratifizierung vor. Bei Jahresbeginn gab es in der Türkei rund 15.000 politische Gefangene. Fortsetzung auf Seite 2 In einem anderen Empfängerland bundesdeutscher Finanzhilfe wird ebenfalls weiter mit Elektroschocks regiert: In El Salvador ist laut ai Folter „weit verbreitet“. Entgegen den Beteuerungen, die Präsident Duarte kürzlich in Bonn abgab, stellte amnesty kaum Fortschritte bei der Aufklärung von Menschenrechtsverletzungen fest. Hunderte von politischen Gefangenen befinden sich dort seit vier oder fünf Jahren ohne Ge richtsverfahren in Haft. In der BRD befaßte sich ai vor allem mit der Inhaftierung von Kriegsdienstverweigerern. Dabei seien einige Totalverweigerer wegen der Äußerung ihrer Überzeugung zusätzlich verurteilt worden, so der Verfasser des Buchs „Dienen oder sitzen“, Christoph Baasenwein. In den Knästen der BRD bemängelt amnesty, daß Terrorismus–Verdächtigen aufgrund von Sondervorschriften der Kontakt zu Mitgefangenen untersagt wird. Außerdem verlangt die Organisation das Recht für Gefangene in Isolationshaft, Ärzte außerhalb des Strafvollzugs konsultieren zu können. Der Bericht zitiert zahllose Beispiele von Menschenrechtsverletzungen in aller Welt. Erwartungsgemäß finster fällt die Beschreibung Südafrikas aus: Dort wurden im vergangenen Jahr 121 Menschen hingerichtet, mehr als 20.000 wurden ohne Gerichtsverfahren eingekerkert.