: 3.000 Bücher beschlagnahmt
■ Verlage, Setzereien und Auslieferungsstelle des Buchs „Das Info - Briefe von Gefangenen aus der RAF 1973–77“ durchsucht / Erstes 129a–Verfahren gegen ein Buch
Aus Bonn Oliver Tolmein
Um die Verbreitung des Buches „Das Info - Briefe der Gefangenen aus der RAF von 1973–1977“ zu verhindern, wurden gestern morgen die Räume des Verlags durchsucht. Dabei wurden mehr als 3.000 Exemplare des Buches und die gesamte diesen Titel betreffende Buchführung beschlagnahmt. Auch wurden die Setzerei des Buches in Hamburg, die Verlagsauslieferung KVA und der ebenfalls am Vertrieb beteiligte Semmel–Verlag in Kiel sowie die Druckerei in Neuss durchsucht. Dabei wurden ebenfalls Rechnungen, Lieferscheine, aber auch die Druckplatten und weitere Unterlagen beschlagnahmt oder fotokopiert. Die Mitarbeiter des Neuen Malik Verlages befürchten daher, daß die Aktion ihre Fortsetzung mit einer Razzia in den Buchhandlungen finden könnte. Das vor einigen Monaten im Neuen Malik Verlag erschienene Buch ist ein Dokumentenband zu Piet Bakker Schuts „Stammheim“–Buch. Als Grundlage für die Staatsaktion dienten nahezu wortgleiche Beschlüsse der Ermittlungsrichter am Bundesgerichtshof und am OLG Schleswig vom 18.8.1987 beziehungsweise vom 22.9.1987. Bemerkenswert an diesen Beschlüßen ist, daß erstmals in der Bundesrepublik ein ganz normal in einem Verlag publiziertes Buch unter Zuhilfenahme des Paragraphen 129a (Werbung und Unterstützung einer terroristischen Vereinigung) verboten werden soll. Eine Parallele findet dieses Vorgehen allenfalls im Verbot des Bommi–Baumann–Buches „Wie alles anfing“ Mitte der siebziger Jahre, das angeblich zur Begehung von Straftaten aufgerufen haben soll. Fortsetzung auf Seite 2 HAFENSTR. Damals trat nach dem Verbot eine Gruppe von Verlagen und Einzelpersonen als Herausgeber auf. Holger Behm vom Rotbuch Verlag, der an dieser Aktion beteiligt war, bezeichnete das jetzige Vorgehen als „unglaublich“. Damit hätten sich ausgerechnet zehn Jahre nach dem Deutschen Herbst alle Befürchtungen, die man damals gegen den Paragraphen 129a gehegt hätte, bestätigt. Die Regierungsparteien hatten in den Diskussionen um den neuen §129a immer behauptet, das Gesetz werde sich nicht gegen Bücher richten. Der Berliner Anwalt Ströbele, der in den 70iger Jahren RAF–Angehörige verteidigt hat, bezeichnete das Verhalten der Staatsanwaltschaft als einzigartig: Der qualitative Unterschied zu bisherigen Aktionen unter Verwendung des §129a gegen Schriften sei darin zu sehen, daß das „Info“–Buch ein Diskussionsband sei und nicht eindeutig zu bestimmten Anschlägen aufrufe oder sie unterstütze. Wenn so ein Buch verboten werde, sei das eine Maßnahme, die einem Diskussionsverbot über bestimmte politische Positionen gleichkäme. In dem Durchsuchungs– und Beschlagnahmebeschluß wird behauptet, daß Buch sei ein „im Interesse der terroristischen Vereinigung Rote Armee Fraktion“ herausgegebenes Druckwerk. Begründet wird das mit einer kurzen, den Briefen vorangestellten Bemerkung, die die Generalstaatsanwaltschaft „anonymen RAF–Angehörigen“ zuschreibt. Aufgrund der Polizeiaktion kann der 336 Seiten starke und 28 Mark teure Band nicht mehr an die Buchhandlungen ausgeliefert werden. Etwa die Hälfte der in der ersten Auflage gedruckten 7.000 Bände müßte aber noch in linken, aber auch manchen bürgerlichen Buchhandlungen zu finden sein. Wer weiß, wie lange noch ...
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