Tibetanische Mönche gegen China

■ Kundgebung gegen die chinesische Besatzungsmacht: „Eine verschwindend kleine Minderheit“ oder 10.000 Demonstranten, die sich den Möchen anschlossen / Eventueller Zusammenhang mit Hinrichtung dreier Tibetaner / Hintergründe der Unabhängigkeitsbestrebungen

Peking (afp/taz) - Eine Demonstration von Mönchen in der tibetanischen Hauptstadt Lhasa hat sich möglicherweise zur größten Massenkundgebung gegen die chinesische Besatzungsmacht seit der Niederschlagung des Aufstandes von 1959 ausgewachsen. Laut Renmin Ribao (Volkszeitung) von gestern zogen am Sonntag 21 Mönche und fünf weitere Personen mit Spruchbändern zum Dazhao–Kloster in der Altstadt Lhasas und von dort zum Gebäude der Stadtregierung und forderten die Unabhängigkeit des Tibet. Etwa 10.000 Menschen hätten sich den Mönchen angeschlossen, berichtet die französische Nachrichtenagentur afp, die sich auf Angaben eines Mönchs der Region beruft. Von 150 aktiven Demonstranten sprachen westliche Reisende, die deutsche Augenzeugen als Quelle angaben. Viele Teilnehmer der Kundgebung seien vor ihrer Verhaftung von der Polizei geschlagen worden. Der chinesische stellvertretende Präsident der Kommission für religiöse Fragen des Tibet, Laba Ciren, gab bekannt, 26 Personen seien nach einem Zusammenstoß mit der Polizei verhaftet worden. Bei der Schlägerei seien 27 Sicherheitskräfte verletzt worden, einige von ihnen schwer. In einer weiteren offiziellen Stellungnahme ist von einem „ernsten politischen Zwischenfall“ die Rede, der von einer „verschwindend kleinen Minderheit“ ausgelöst worden sei, die mit „ihren separatistischen Aktivitäten“ in der Be völkerung keinen Rückhalt habe. Ob die Demonstration im Zusammenhang mit der Hinrichtung von drei Tibetanern am 24. und 25. September steht, die nach amtlichen Angaben wegen Mord und anderer Verbrechen verurteilt waren, ist unklar. Tibet wurde 1950 von der VR China gewaltsam annektiert. Nach einem militärisch niedergeschlagenen Aufstand gegen die Besatzungsmacht flohen 1959 über 100.000 Tibetaner nach Indien ins Exil, mit ihnen auch ihr religiöser und politischer Führer, Dalai Lama. 1959 begann auch die systematische Zerstörung des tibetanischen Kulturguts, die in den 60er Jahren von den Rotgardisten der Kulturrevolution zuendegeführt wurde. Von den über 2.700 Klöstern, den Zentren der 1.300jährigen Kultur, blieben ge rade 13 übrig. Im Zug einer größeren Toleranz in religiösen Fragen wurden in den letzten Jahren etwa 160 Tempel und Klöster wiederaufgebaut. Bei einem Besuch in Bonn forderte der Dalai Lama erneut das Ende der chinesischen Okkupation, die nach tibetanischen Angaben bislang über eine Million Todesopfer - in Gefängnissen und Arbeitslagern durch Folter, Hinrichtung und Hunger - gefordert hat. Der Dalai Lama beschuldigte außerdem die Pekinger Führung, durch eine gezielte Siedlungspolitik die Tibetaner zu einer Minderheit in ihrem eigenen Land machen zu wollen. Außer etwa 1,7 Millionen Tibetanern leben heute nach Schätzungen westlicher Diplomaten 300.000 Soldaten und 55.000 KP–Funktionäre in Tibet, auf dem „Dach der Welt“. thos