Mit Phrasen auf dem Weg nach innen

■ Frauenwoche in Bremen: Zwanzig Jahre nach Helke Sanders Tomatenwurf auf die SDS–Männer zeigt Frau sich innerlich und unpolitisch / Feminismus nicht gefragt / Unfähige Therapeutinnen geben verantwortungslose Ratschläge

Aus Bremen Maria Neef–Uthoff

Was ist nur aus uns geworden. Wir liegen zu vierzig „Mann“ platt auf dem Fußboden und lassen es atmen. Frauen, kommt her, wir tun uns zusammen. Es ist Frauenwoche in Bremen. Zwanzig Jahre nach Helke Sanders Tomatenwurf auf die SDS–Männer stellt sich heraus, daß Politik nicht mehr Frauensache ist. Frauensache ist das Innere, und das Innere wird auf der Frauenwoche gut bedient. Und es ist nicht mehr wie früher, als das Innere nach außen gekehrt wurde, wo es sich Raum nahm und laut wurde, nein, es bleibt hinter verschlossener Tür, beleuchtet von einer Kerze und verklemmt. Der Atem läuft mit. Der Atem darf mitlaufen. Schau, ob der Atem mitlaufen darf, unterbrich nichts, - also das Kleinkind hier, das stört aber. Da sind wir uns einig, bei solch heiligen Handlungen sind Kinder unerwünscht. Auf eine politische Veranstaltung kommt viermal Bauch. Rund 180 sind es insgesamt. Bauch ist Malen, Tanzen, Meditieren, Sexualität, Beziehung, Astrologie, Spiritualität. Die Frauenwoche findet in der Universität statt, es ist geradezu ein Witz, weil man etwas anderes hier erwartet. Von Montag bis Freitag dieser Woche geht das. Und am Montag fielen gleich die ersten politischen Veranstaltungen aus: Frauen in den Programmen der politischen Parteien und abends eine Veranstaltung zur Quotierung. Überall laufen sie mit Decken unter dem Arm herum, denn auf den Fußböden ist es kalt. Warum sind die Frauen so erpicht auf das bißchen Entspannung, und Insichreinversenken? Die Leiterinnen sind keine Feministinnen, mit Feminismus hat das hier weniger zu tun als ein SPD–Parteitag. Die Sprache bleibt männlich wie eh und je. Niemand muckt auf, wenn die Leiterin immer wieder „jeder“ sagt. Wir können nicht aufmucken, wir müssen die Fingerspitzen nach hinten tun. Das ist ein schönes Gefühl, und wenn es hier langweilig wird, versenkst du dich halt ein bißchen tiefer in dich hinein; und horche. Ein für allemal ist es damit vorbei, daß man geht. Es wäre eine unerträgliche Probe des Selbstbewußtseins, einfach herauszugehen. Es ist gar keine Frage: Alle machen mit. Jede für sich. Kennenlernen gibt es auch nicht mehr. Und Punkt–Uhr fängt es an. Also mal hier gucken und mal dort gucken oder eine halbe Stunde später kommen, damit ist es auch vorbei. Disziplin und Stille drücken sich auch außerhalb der Räume aus. Die vielen selbstgemachten Salate werden ziemlich schweigend verspeist, man unterhält sich leise über den letzten Aufenthalt in der Psychiatrie und ißt einen Getreideburger. Niemand stößt spitze Freudenschreie aus oder lacht laut. Alle sehen blaß und müde und verhältnismäßig unmodern aus. Übermäßig jung sind die Frauen auch nicht. Ich schätze sie im Durchschnitt auf 30. Was sie eigentlich hertreibt, erfahre ich am Nachmittag. Wieder steht eine Kerze auf dem Boden. Einige wackeln auf ihren Meditationshockern, andere sitzen auf Kissen. Zuerst aber wird meditiert. Warum klingt es so platt aus dem Mund der Leiterin: „Loslassen, fließen, ganz klein, den spirituellen Weg finden, Energie ausschicken und wieder zurückkriegen.“ Die Worte sind wie gestampft und aus der Konserve, eine Mischung aus Therapieslang und Baghwansprache. Über 30 Kilometer von Bremen entfernt ein Center. Du mußt nicht müssen, wie absurd das alles klingt. Sie verdirbt mir meine Meditation. Die machen aus der Spiritualität Regeln und verkaufen sie, und das ist das ekelhafteste. Bei allem, was sie sagt, lacht sie, und sie liebt auch, wenn sie jemanden verletzen muß. Und lacht. Die Frauen sind in irgendwelchen Lebenskrisen. Trennungen, Sehnsucht, Nicht–allein–sein– können. Viele haben Therapieerfahrung, sind skeptisch mit dem Spirit aber erhoffen sich hier Linderung. Eine hat alle Ziele erreicht und zieht jetzt die Lehren. Eine andere auch. Was sollen sie machen? Sie sollen „loslassen“ und in Leere „hineingehen“. Was hier passiert, müßte verboten werden. Es ist eine Ansammlung von Scharlatanerie. Die Frauen, die hier Hilfe suchen, werden mit Sprüchen abgespeist. Sogenannte Therapeutinnen, denen die eigene Unfähigkeit aus der Körperhaltung spricht, geben verantwortungslos Ratschläge und Rezepte. Der spirituelle Weg bleibt eine Phrase. Schade.