I N T E R V I E W „Hacker“–Jagd eröffnet?

■ Stefan Wernery, CCC–Vorstand, zur Polizeirazzia

taz: Wie ist das BKA ausgerechnet auf den CCC gekommen? Wernery: Das wissen wir auch nicht. Die Beschuldigungen, die gegen meine Person erhoben werden, sind völlig haltlos, ich glaube, daß alles nur ein peinlicher Fehlgriff ist. Vermutlich werde ich nur mit irgendeinem anderen „Hacker“ verwechselt. Aber bei sorgfältiger Vorbereitung hätten sie eigentlich feststellen müssen, daß ich technisch gar nicht in der Lage gewesen wäre, diese Manipulationen vorzunehmen. Insofern kann ich mir vorstellen, daß dies die Eröffnung einer Jagd auf Leute sein könnte, die bisher technisch kritisch gearbeitet haben. Was CERN und Phillips angeht, habe ich die Befürchtung, daß man uns kriminalisieren will, und das geht in die völlig falsche Richtung. Von unserer Seite geht keinerlei Bedrohung aus, weil wir nicht verdeckt, sondern offen arbeiten und Mißstände aufzeigen. Gibt es in diesem Bereich juristische Erfahrungen oder könnte die Durchsuchung des CCC ein Präzedenzfall sein? Vermutlich gibt es ein paar andere Geschichten. Mir persönlich ist nicht bekannt, daß wegen des Paragraphens zur Zeit noch gegen andere Datenreisende ermittelt wird. Inwieweit gegen wirklich Kriminelle ermittelt wird, kann ich nicht sagen. Ich schätze es als sehr brisant ein, daß wir überhaupt beschuldigt werden. Schließlich bilden wir ein Diskussionsforum, das versucht, die Computerszene für die Öffentlichkeit verständlich zu machen und dort sowas wie eine Vermittlerposition zwischen der Öffentlichkeit, den „Hackern“ und den betroffenen Institutionen einzunehmen. Was geschieht jetzt mit dem beschlagnahmten Material, und welche Schäden entstehen euch? Es entstehen Schäden in mehrfacher Hinsicht, und zwar erhebliche. Der Club wird in seiner Arbeit behindert, weil die Herstellung unserer Zeitschrift Datenschleuder nicht mehr gewährleistet werden kann, der Bildschirmtext–Informationsdienst, den wir unterhalten, kann nicht mehr bearbeitet werden, weil das komplette Redaktionssystem unter fadenscheinigen Begründungen sichergestellt wurde. Für mich als Journalist bedeutet das kommerziell, daß mir wesentliches Material über Sachen, die in keinem Zusammenhang mit dieser Geschichte stehen, entfernt wurde. Ich stehe außerdem in Vorbereitung einer Existenzgründung. Im November dieses Jahres wollte ich mit einem Produkt auf den Markt kommen, das den Personalcomputer revisionsfähig, also überprüfbar macht. Durch die gezielte Sicherstellung dieses Materials habe ich den Eindruck, daß sich hier die Fachleute vom BKA weitergehendes Know– how verschaffen wollten, das ihnen im freien Markt in der Form nicht zugänglich gewesen wäre. Und das halte ich für Industriespionage. Welche rechtliche Handhabe steht euch zur Verfügung? Wir werden jetzt erst einmal Akteneinsicht über unsere Anwälte fordern, um festzustellen, auf welcher Mutmaßung überhaupt diese ganze Aktion gegen uns zustande gekommen ist. Eigentlich gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder sind es nicht–stichhaltige Vermutungen, daß wir als Personen in den Rechnern waren, oder der Schritt richtet sich gegen den CCC. Unsere Arbeit ist jetzt erheblich gefährdet, eine Aufklärung über öffentliche Mißstände und eine Beseitigung von Sicherheitslücken ist derzeit in Frage gestellt. Ich halte es für einen peinlichen Fehlgriff, gerade uns zu kriminalisieren. Interview: Brigitte Jakobeit