Chaos–Computer–Club

■ Die bekannteste „Hacker“–Vereinigung der Bundesrepublik macht sich seit 1981 um Transparenz im Computerdickicht verdient / Der Club will Informationen nicht–kommerziell und für alle verständlich zur Verfügung stellen

Hamburg (taz) - In die Schlagzeilen kam die Hamburger „Hacker“–Vereinigung Chaos– Computer–Club erstmals vor zwei Jahren, als es den pfiffigen jungen Leuten fast gelang, der Hamburger Sparkasse 134.634 Mark und 88 Pfennige per Eingriff in die Datenverarbeitung des Geldinstituts abzuzocken. Daß die Chaos–Computer–Leute das Geld letztlich nicht auf ihren Konten verbuchten, ist dem Umstand geschuldet, daß es ihnen nicht auf persönliche Bereicherung ankommt, sondern darauf, nachzuweisen, wie unsicher Datenbanken und Computersysteme im Sherwood Forest? - d.K. privater und öffentlicher Institutionen sind. Sicherheitslücken aufzudecken, war der Hintergrund des vorerst letzten großen öffentlichen Auftritts vor zwei Wochen, als er verkündete, daß bundesdeutsche „Hacker“ sich in sicherheitsempfindliche Bereiche des NASA–Computersystems und in das VAX– System des europäischen Kernforschungszentrums CERN in Genf eingemogelt haben. Die Veröffentlichung dieses Vorgangs brachte Steffen Wernery und Wau Holland (CCC) jetzt das BKA ins Haus. Der Chaos–Computer–Club ist die Avantgarde der bundesdeutschen „Hacker“–Szene. Er fand sich erstmals 1981 zusammen, in den Räumen der taz in Berlin. „Die Redakteure der taz hatten damals keine Ahnung, was sich da in ihrer Nähe zusammenbraut“, erzählt Wau Holland, „nur eine Frau aus dem Satz hat die Zeichen der Zeit erkannt und ihre Kenntnisse aus der Texterfassung eingebracht.“ 1984 gab sich der Club eine Satzung - auch der Chaos–Club braucht ein ordnendes Gerüst - , die besagt, daß seine Mitglieder es sich zur Aufgabe machen, „die Folgen der Informationsgesellschaft auf den Menschen“ auszuleuchten, und die Veränderungen der Gesellschaft durch die neuen Techniken aufzuarbeiten. Rund 80 Mitglieder zählt der Club heute, 800 Abonnenten beziehen sein Informations blatt „Datenschleuder“, in dem über neue Technologien informiert, kritisch über den Umgang mit dem heimischen C 64–Computer berichtet wird und in dem theoretische Reflexionen über die elektronische Vernetzung der Gesellschaft abgelassen werden. Das „Main Event“ ist der jährliche „Hacker“– Kongreß, einem Treffen der „Datenreisenden“, auf dem bis zu 1.000 meist jugendliche Computer–Freaks zum Informationsaustausch antreten, auf Workshops ihre Kennt– nisse erweitern und sich gegenseitig versichern, daß ihr Umgang mit dem Medium ein durch und durch menschlicher ist. Die Köpfe des Clubs sind - ebenso wie die meisten Mitglieder - Autodidakten. Steffen Wernery (25) hat bei einem Steuerberater gelernt, bis er 1982 seinen ersten Computer erstand und „in die Szene reingewachsen“ ist. Er arbeitet jetzt an einem BTX–Programm, das der Club mit skurrilen Spielen und Fachinformationen bereichert, „weil wir erkannt haben, daß man dieses Feld nicht nur der Industrie überlassen darf“. Wau Holland (36) hat sein Informatik–Studium abgebrochen, er beschäftigt sich mit Textverarbeitungsprogrammen und ist damit ebenso wie sein Kollge Wernery kurz vor dem Schritt in die Professionalisierung. Der dritte, Reinhard Schrutzky (31), ist noch Elektromechaniker bei der Post, auch er will aus seiner Computerleidenschaft ein Berufsbild basteln. „Man kann Kunst und Schönheit auf dem Computer schaffen“, ist einer der Glaubenssätze der „Hacker“, ein anderer: „Alle Informationen müssen frei sein.“ Dem fühlt sich der Club verpflichtet. „Wir wollen den kreativen Umgang mit dem Gerät pflegen und lehren“, den Computer entmystifizieren, allgemein zugängliche „Mailboxes“ schaffen und das „Zweiklassensystem“ von denen, die sich Informationen leisten können und solchen, die keinen Zugriff haben, unterlaufen. „Was wir nicht sein wollen, ist ein kostenloser Sicherheitsdienst für die geschädigten Firmen“, sagt Wau Holland. Das sind sie aber wider Willen. Hamburgs oberster Datenschützer Claus Henning Schapper spart denn auch nicht an Lob für die Chaos–Leute: Er sei „dankbar“, verkündete er unlängst im Fernsehen, daß der Club „Sicherheitsmängel im Datennetz“ aufspürt „und das Problembewußtsein schärft“. Michael Berger