piwik no script img

Rent a Mother aus den USA

■ US–Leihmüttervermittler eröffnet Büro in Frankfurt / Baby für 60.000 Mark / Deutsche Gesetze umgangen

Von Benny Härlin

Berlin (taz) - „Auch Maria war nur eine Leihmutter Gottes.“ So verteidigt der US–Anwalt Noel P. Keane sein Business. Für rund 60.000 Mark will er jetzt auch deutschen Paaren, die ein Kind wollen und nicht selbst bekommen können (oder wollen), Leihmütter vermitteln. Unter der Frankfurter Nobeladresse Zeil 127 bieten ab heute Frau Siedler und Frau Schmetzke unter dem Firmenschild „United Family International“ US–amerikanische Leihmütter aus dem Katalog an. Daß die Vermietung von Mutterdiensten in der Bundesrepublik geächtet ist, von Gesundheits– und Familienministerin Süssmuth soeben ein Gesetzentwurf zur strafrechtlichen Verfolgung von Leihmüttern, ihrer Vermittlung und Inanspruchnahme erarbeitet wurde, stört Keane nicht: Die verbotenen Teile des Geschäftes werden in den USA abgewickelt. In einem Interview mit dem Gen–ethischen Informationsdienst (G.ID.) verweist Keane, die Number One im internationalen Leihmutter–Business, auf zehnjährige Erfahrung und eine Bilanz von 186 geborenen und 36 „in der Produktion“ befindlichen Babys. Drei davon wurden bereits an bundesdeutsche Paare ausgeliefert. Fortsetzung auf Seite 2 Kommentar auf Seite 4 150 weitere kinderlose Paare hat Keane in den USA unter Vertrag, 30 Interessenten in der Bundesrepublik. Daß die USA derzeit das Mekka der Muttervermietung sind, führte er im wesentlichen auf seine eigene Person und seine Risikobereitschaft zurück: „Freunde sagen mir, sie würden lieber an einem Sonntagnachmittag durch Beirut spazieren gehen, als meinen Job zu machen.“ Durch die Weltpresse ging Keane unlängst als Anwalt des Vaters von „Baby M.“. In einem exemplarischen Prozeß erzwang er vor Gericht die vertraglich vereinbarte Auslieferung eines Kindes, das dessen Mutter, Marie Beth Whitehead, nach seiner Geburt behalten wollte. In einem zweiten Fall, in dem eine Mutter von Zwillingen versucht, aus ihrem Vertrag wieder herauszukommen, hat sich jetzt in den USA eine Koalition von Feministinnen gegen die „moderne Reproduktions–Sklaverei“ gebildet. Die Initiative hat ein Netz von Anwälten und eine Gruppe von Betroffenen organisiert, die Leihmütter, die aus ihrem Vertrag aussteigen wollen, unterstützen. „Dies ist ein entsetzlicher Angriff auf die Menschenwürde“, sagte die Sprecherin der Koalition, Gena Corea (Autorin von „The Mothermachine“, deut sche Übersetzung im Rotbuchverlag), gegenüber dem G.ID., „es wäre unerhört, wenn der Verkauf von weiblichen Körpern und von Kindern ein legales, vertragliches Geschäft bleiben darf.“ Der Mustervertrag, den Keane für seine Klienten mit den Leihmüttern aushandelt, sorgt in der Tat dafür, daß seine Variante der „unbefleckten Empfängnis“ für den gehobenen Mittelstand voll auf das Risiko der Mietmutter geht. Sie hat nicht nur ausführliche psychologische, medizinische und genetische Tests zu absolvieren. Sie muß nach erfolgter Befruchtung mit dem Samen des Auftraggebers erst einmal nachweisen, daß das Kind nicht doch von einem anderen stammt, und darf in der kritischen Zeit keinen Geschlechtsverkehr mit Dritten haben. Sollten pränatale Tests, zu deren Absolvierung sie bis hin zu der höchst umstrittenen und riskanten Amniozenthese ebenfalls vertraglich verpflichtet ist, Schäden an dem Fötus ergeben, muß sie das Kind auf Wunsch des Vaters abtreiben lassen. Umgekehrt ist ihr ein Schwangerschaftsabbruch selbstverständlich verboten. Jegliche medizinische Versorgung der Mutter bis hin zur Einnahme von Kopfwehtabletten muß von einem Vertragsarzt genehmigt werden. Rauchen oder gar die Einnahme von Drogen wären gravierende Vertragsverletzungen. Die Entscheidung über ihre medizinische Versorgung während der Schwangerschaft und über alle Maßnahmen bei der Geburt hat die Leihmutter vertraglich ebenfalls verkauft. Falls das Kind mit „Defekten“ auf die Welt kommt, ist der Vater zwar zur Übernahme der juristischen Verantwortung verpflichtet, nicht aber zur Annahme des Kindes. Daß Keane für seine Dienste 10.000 Dollar kassiert, hält er nur für billig: „Dafür betreuen wir das Paar bis zum Erfolg - egal wieviele Versuche und wieviele Leihmütter dazu erforderlich sind.“ Das Feministische Frauengesundheitszentrum in Frankfurt hat gestern bekanntgegeben, daß sie eine Initiative gegen die Machenschaften von „United Family International“ gegründet hat.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen