Norbert Blüm puscht den Schnellen Brüter

■ Norbert Blüm bei seinem Besuch im Brüter: Wir brauchen Kalkar / Seit Tschernobyl die deutlichste Pro–Kalkar–Äußerung eines CDUlers / „Bin gekommen, um den Entscheidungsdruck zu erhöhen“ / Der Brüter gehöre zur „ökologischen und ökonomischen Risikostreuung“

Aus Kalkar Walter Jakobs

„Herr Minister, wir danken Ihnen für Ihren Mut, hierher zu kommen, und wissen“, so fügt der Chef des Schellen Brüters hinzu, „daß Sie damit wesentlich zur Stabilisierung der Situation unserer Leute beitragen.“ Der Minister hört das gern, denn „ich bin dafür, daß man vor Ort, zu den Brennpunkten des Landes geht“. Kaum da, beherrscht Norbert Blüm wie gewohnt die Szene. Begleitende Journalisten hoffen auf eine runde Story, nachrichtlich, so wird gemunkelt, sei nichts drin. Doch die Auguren irren. Norbert Blüm, der mit „weichen Themen“ bisher in Nordrhein–Westfalen für so viel Furore gesorgt hat, hängt sich in einer Weise für den Brüter rein, daß den CDU–freundlichen Journalisten Angst und Bange wird um ihren Star. Kein anderer CDU–Politiker hat seit Tschernobyl so offensiv für den Brüter gefochten. Blüm, Arbeitsminister in Bonn und CDU–Vorsitzender in Nordrhein– Westfalen, wohl wissend, daß einen Tag später auch sein Kollege Riesenhuber den forschungspolitischen Sinn der Anlage propagieren würde, erklärt klipp und klar, daß der Brüter „eine wichtige Zukunftstechnologie ist“, sowohl forschungs– als auch energiepolitisch langfristig Sinn mache, und daß er hergekommen sei, um den „Entscheidungsdruck auf die Düsseldorfer Regierung zu erhöhen“. Auf die Frage eines Journalisten, „brauchen wir Kalkar?“, antwortet Blüm ohne jede Einschränkung mit „Ja“. Der Rau–Regierung wirft er „Entscheidungsfeigheit“ vor. Später, während der Pressekonferenz, während der er erneut die Sinnhaftigkeit des Projektes unterstreicht, sagt er, es wäre für „das Land gefährlich“, wenn „im öffentlichen Bewußtsein“ NRW als das Land „der Forschungsruinen“ erscheine. Natürlich, so Blüm, dürfe der Brüter nur nach einer positiven Sicherheitsüberprüfung in Betrieb genommen werden, aber jetzt sei der Zeitpunkt für die Rau–Regierung gekommen, eine Entscheidung zu treffen. Die Nicht–Entscheidung der nordrhein–westfälischen Behörden sei tatsächlich eine Entscheidung, denn das bedeute, schon aus finaziellen Gründen: „es geht nicht weiter“. Der Brüter, so Blüm, gehöre „zur ökologischen und ökonomischen Risikostreuung“ der Energiepolitik. Mit seinem massiven Einsatz für den Brüter versetzte Blüm die Geschäftsleitung der Betreibergesellschaft und den Betriebsratsvorsitzenden in helle Freude. „Sie haben“, so der Betriebsratsvorsitzende Manfred Hoppmann, „moralisch die Belegschaft gestärkt.“ „Ich hoffe, daß Sie weiter als Puscher auftreten“. Bei einem Empfang im Rathaus von Kalkar hatte zuvor der dortige CDU–Bürgermeister seine Überzeugung geäußert, daß die Sicherheit des Brüters „gewährleistet“ sei und die Bundesregierung aufgefordert, dem Treiben der Genehmigungsbehörde „nicht tatenlos“ zuzusehen und zu verhindern, daß „der gute Ruf der deutschen Industrie möglicherweise verheizt“ werde. Der Mann kann auf Blüm rechnen, ebenso wie der Chef von Interatom, der Blüm in der Schaltzentrale zum Knopfdruck annimierte. Prompt erschien auf dem Terminal ein freundliches Grußwort, verbunden mit dem Wunsch „nach einem positiven Gesamteindruck“. Dessen hätte es nicht bedurft, denn der stand für Blüm schon vorher fest.