THTR: Den Bock zum Gärtner gemacht

■ Mit dem Sicherheitscheck des Hochtemperaturreaktors beauftragte die NRW–Regierung eine Schweizer Firma, die an der HTR–Planung beteiligt ist

Aus Bochum Petra Bornhöft

Der nordrhein–westfälische Wirtschaftsminister Reimut Jochimsen (SPD) hat die Öffentlichkeit und seine Fraktion über die Unvoreingenommenheit der Gutachter getäuscht, die an der Sicherheitsüberprüfung von Atom anlagen im Bundesland beteiligt sind. Der von Jochimsen mit der Begutachtung als Generalunternehmer beauftragte Schweizer Atomkonzern Elektrowatt Ingenieurunternehmung Zürich (EWI) ist nicht nur an deutschen und Schweizer AKWs beteiligt und im Atomexport engagiert. Nach Informationen der taz ist die EWI seit 1973 direkt an der Planung von Hochtemperaturreaktoren (HTR) beteiligt. Darüber hinaus kann sie offenbar mit Planungsaufträgen für den HTR 500 rechnen. Der HTR 500 ist das Nachfolgemodell des THTR 300, dessen „Sicherheit“ die EWI derzeit im Auftrag des Ministeriums beweisen will. Damit hat die Landesregierung möglicherweise gegen die im Atomrecht geforderte Unabhängigkeit von Gutachtern verstoßen. Ein hochrangiger Mitarbeiter des Zürcher „Fachbereiches Nukleartechnik“ der EWI bestätigte gegenüber der taz, daß die EWI seit 1973 Mitglied der sogenannten Schweizer HTR– Gruppe ist. Dieser Zusammenschluß, der sich seit zwei Jahren „Interessengemeinschaft für Nukleartechnik“ (IGNT) nennt, „arbeitet seit seiner Gründung eng mit den deutschen THTR–Erbauern Hochtemperaturreaktorbau GmbH und BBC zusammen“, so der EWI–Mitarbeiter. Neben der EWI gehören zur IGNT laut Jahrbuch der Atomwirtschaft 1986 unter anderem die Schweizer BBC, das staatliche Institut für Reaktorforschung EIR, der Schweizer Atomgigant Motor Columbus und die Firma Gebrüder Sulzer an, die die Dampferzeuger für den THTR bauten. Die HTR–Entwicklungsarbeiten der IGNT finanzierte der Schweizer Staat zu 96 Prozent mit 63 Mio. Franken und gewährte 1986 nochmals einen Verpflichtungskredit von 15 Mio. bis 1988. „Nach der Fertigstellung des THTR haben sich die Entwicklungsarbeiten“, so der EWI–Mitarbeiter, „nun auf den HTR 500 verlagert, von dem wir alle hoffen, daß er kommt. Wenn der Planungsauftrag erteilt wird, würden wir von Elektrowatt uns gern beteiligen.“ Fortsetzung auf Seite 2 Tagesthema Seite 3 Dieser offenherzige Wunsch hat eine solide Grundlage. Nach Angaben der Hochtemperaturreaktorbau Mannheim besteht bereits eine grundsätzliche Vereinbarung darüber, daß die EWI am Planungsprozeß für den HTR 500 beteiligt wird. Daß die Landesregierung von diesem EWI–Engagement nichts gewußt hat, erscheint unwahrscheinlich. So betont Elektrowatt unverhohlen die „langandauernde Zusammenarbeit mit der Kernforschungsanlage Jülich und deutschen Industriepartnern auf dem Gebiet der HTR–Technolo gie“. Nach eigenem Bekunden beauftragte das Ministerium EWI mit der Projektleitung erst „nach umfangreichen Vorprüfungen“. Schon vor einem Jahr hatte der Sprecher von Minister Jochimsen gegenüber der taz bestätigt, man kenne die internationalen AKW– Beteiligungen und -Geschäfte der EWI. Doch die offiziellen Verlautbarungen der Behörde beschränkten sich weiterhin auf die Definition, EWI sei ein „international renommiertes Institut“. Über die Mitgliedschaft der EWI in der Schweizer HTR–Interessengemeinschaft schwieg Düsseldorf. Selbst in einer Antwort des Ministeriums vom März 1987 an die durch taz–Berichte beunruhigte SPD–Landtagsfraktion heißt es nur knapp, EWI sei „eine international tätige Ingenieurgesellschaft, die bisher nicht maßgeblich an Planung, Errichtung und Begutachtung der zu überprüfenden Anlagen beteiligt war“. Maßgeblich nicht - allerdings: „Unser Engagement in der IGNT war keineswegs nur eine Option für die HTR–Zukunft“, sagt der EWI– Mitarbeiter. Gleichwohl behauptet daß Ministerium in dem genannten Schreiben an die SPD– Fraktion, mit der Auswahl der Gutachter sei beabsichtigt, „die gesetzlich vorgeschriebenen Anforderungen an Sachverständige in atomrechtlichen Verwaltungsverfahren - nämlich die Anforderungen an die Sachkunde und die Unbefangenheit und Unparteilichkeit des Sachverständigen - zu erfüllen“. Auf die in den letzten drei Tagen wiederholt vorgetragene Bitte um eine Stellungnahme reagierte das Ministerium nicht. Das Ministerium schloß übrigens die Reaktorsicherheitsexperten des Freiburger Öko–Instituts von der Mitarbeit als Gutachter aus. Speziell der Physiker Lothar Hahn sei durch seine Tätigkeit als Rechtsbeistand der THTR– Kläger „verbraucht“, hieß es. Erfolglos protestierte damals Prof. Dr. Benecke als einziger unter den Gutachtern ausgewiesener Atomkraftkritiker. Neben ihm, der EWI und zwei TÜVs „prüfen“ fünf weitere Gutachter, die aus ihrer Befürwortung der Atomenergie kein Geheimnis machen.