Globales Netzwerk gegen die Atommafia

■ Zum ersten Mal treffen sich in New York Opfer der Atomtechnik aus aller Welt / Von Silvia Sanides

Der international operierenden Atomgemeinde auch international etwas entgegenzusetzen ist ein alter Wunsch aller Atomkraftgegner. Mit einem Treffen, das diese Woche in New York stattfindet, ist jetzt ein Anfang gemacht. Geplant ist der Aufbau eines internationalen Netzwerks von Atomkraftgegnern, die sich gegen den atomaren Kreislauf insgesamt wenden und die Stillegung aller atomaren Anlagen, egal ob zivil oder militärisch, fordern.

„Wir sind hier, um endlich Nägel mit Köpfen zu machen“. Dorothee Piermont, Ex–Europa–Abgeordnete der bundesdeutschen Grünen, ist optimistisch: „Wir haben hier ein Treffen, an dessen Ende auch praktische Ergebnisse den Teilnehmern ihre zukünftige Arbeit erleichtern werden.“ Worum geht es? Erstmals in der Geschichte der praktischen Anwendung der Atomspaltung treffen sich in New York aus allen Teilen des Globus Menschen, die zu Opfern der Atomtechnologie wurden. Angefangen von Mitgliedern japanischer Friedensorganisationen aus Hiroshima und Nagasaki, über polynesische Maoris bis hin zu ehemaligen AKW–Arbeitern aus den USA oder Europa, sind bis Ende dieser Woche rund 200 Leute zusammengekommen, deren Leben Weise durch den atomaren Kreislauf schwer beeinträchtigt wird. Die Idee der Zusammenkunft geht auf das jährliche Hiroshima–Treffen der Friedensbewegung zurück, an dem vor zwei Jahren beschlossen wurde, den jetzt stattfindenden Kongreß zu organisieren. „Das Ganze“, meint Dorothee Piermont im Rückblick, „ist wohl eine Kopfgeburt einzelner Individuen gewesen“. Trotzdem überzeugte die Notwendigkeit eines Treffens alle potentiellen Ansprechpartner soweit, daß das amerikanische Health Energy Institut und ihre Leiterin Catherine Tucker sich an die Arbeit machten. Dabei ging es natürlich zunächst einmal um die gegenseitige Information. Die jetzt in New York, am Sitz der UNO, Zusammengekommenen wurden zu Zeugen dafür, daß an allen Stellen des Atomkreislaufs, von den Uranminen bis zum Bombenabwurf oder den sogenannten zivilen AKWs, Menschen der radioaktiven Strahlung zum Opfer fallen. Indianer, auf deren Reservaten Uran abgebaut wird und Veteranen, die wäh rend der amerikanischen oberirdischen Atombombentests im Pazifik oder in Nevada hohen Strahlenmengen ausgesetzt waren, entdeckten, daß sie gleichermaßen von der US–Regierung betrogen wurden. Egal ob bei US–amerikanischen, französischen oder früheren britischen Atomtests (sowjetische Teilnehmer fehlten leider) - immer wieder ließ sich ein ähnliches Schema im Umgang mit den Betroffenen rekonstruieren: gezielte Desinformation, Abwiegelung und spätere Weigerung, Entschädigungen zu zahlen. Da die Atommafia weltweit nach diesem Schema operiert, müsse sich auch, so die Überlegung der Organisatoren des Treffens, eine internationale Strategie der Betroffenen entwickeln lassen. An Einsicht und Vorstellungen fehlt es nicht. „Die Wut der hier Versammelten“, so Dorothee Piermont zur taz, „ist groß genug, um es nicht bei einem unverbindlichen Meinungsausstausch zu belassen. Vorrangiges Ziel ist der Aufbau eines internationalen Kommunikations–Netzwerkes, durch das die Atomgegner in die Lage versetzt werden sollen, der international agierenden Atomgemeinde weltweit etwas entgegenzusetzen. Wie sollen wir sonst erfahren“, so Piermont, „wenn die deutschen AKW–Betreiben demnächst ähnlich wie die Japaner beginnen, ihren Müll im Pazifik zu versenken?“ Ansätze eines solchen Netzes sind bereits vorhanden. Für europaweite Informationen sorgt WISE (World Information Service of Energie), zentrale Anlaufstellen in den USA und Japan sind geplant. Weltweite Aktionen würden vorstellbar, durch die man sowohl den Militärs als auch den zivilen Atomkraftbetreibern die Schlupflöcher verstopfen könnte. Nicht zuletzt soll ein solcher Zusammenschluß aber auch die Aufgabe haben, die bereits entstandenen Tragödien etwas abzumildern. Gemeinsam sollen die Verursacher vielfältiger Leiden um Entschädigungszahlungen angegangen werden, denn wie so häufig sind die Hauptbetroffenen wie die Südseebewohner Polynesiens, die Aborigenes in Australien oder die Indianer in des US– Reservaten auch diejenigen, die sich am wenigsten dagegen zur Wehr setzen können. Allein das zu ändern, wäre bereits ein Erfolg. Amerikas Uranindustrie und den weltweiten Überlebenskampf der Indianer hat eindrucksvoll Gert Hensel beschrieben: Sein Buch „Strahlende Opfer“ ist 1987 im Gießener Focus–Verlag erschienen. Hg.: „Institut für Ökologie und angewandte Ethnologie“, Lockhütter Str. 143, 4050 Mönchengladbach. Ebenfalls zum Thema: Die Ausgaben 134 und 135 der Zeitschrift pogrom, „Gesellschaft für bedrohte Völker“, Postfach 2024, 3400 Göttingen.