Blockadepolitik in Kiel

■ Erste Sitzung des neugewälten Landtags in Kiel / Blockbildung schon bei der Wahl des Landtagsvizepräsidenten / SPD–Frau mit Traumergebnis zur Präsidentin gewählt / Blasser Barschel

Aus Kiel Jörg Feldner

In der ersten Sitzung des neugewählten schleswig–holsteinischen Landtages hat der Abgeordnete der dänischen Minderheitspartei, Karl Otto Meyer, eines sofort klar gemacht: CDU und FDP haben von ihm kein Entgegenkommen zu erwarten. Gemeinsam mit der SPD lehnte Meyer es ab, den Liberalen das Pöstchen eines dritten Vizepräsidenten zu schaffen. Bei Stimmenmehrheit wurde der FDP–Antrag abgelehnt. 16 Jahre Erfahrung hätten ihm gezeigt, daß zwei Vizepräsidenten genügten, sagte Meyer. Die SPD hielt die gewünschte Aufstockung für „unverhältnismäßig“ und erinnerte daran, daß CDU und FDP im Bundestag wie in anderen Landtagen solche Ergänzungen immer abgeschmettert hätten, um die Grünen aus den Präsidien herauszuhalten. Die Kom promißlosigkeit von SSW und Sozialdemokraten überraschte viele Beobachter auch deswegen, weil die FDP ihre einzige Abgeordnete als Stellvertreterin aufgestellt hatte. Vorher war es, vielleicht zum letzten Mal, kompromißbereit zugegangen: Einstimmig schuf man den überfälligen Umweltausschuß. Und Uwe Barschel? Blaß saß er in der ersten Reihe, zwischen FDP und dem leeren Stuhl des Landwirts Fritz Latendorf, der als Alterspräsident am Podium zu tun hatte. Zwei Stunden lang hatte Barschel nur einen einzigen Gesprächspartner, seinen Fraktionschef Klaus Kribben. Wie von einem Vakuum umgeben erschien Barschel. Seine formale Rücktrittserklärung hatte er bereits am Donnerstag dem Präsidium geschrieben, Paulina–Mürl las Barschels Brief vor, das wars. Nach zwei Stunden war Barschel schon beinahe vergessen. Grußlos ging er an Engholm vorbei. Der Barschel–Kritiker Neitzel von der FDP wurde nur mit minimalem Kopfnicken bedacht. Ein Traumergebnis erzielte Lianne–Maren Paulina–Mürl (SPD). 69 von 74 Abgeordneten wählten sie zur neuen Präsidentin des Landtages. Verbissen gings weiter. Nur 58 Ja–Stimmen erhielt Prof. Eberhard Dall–Asta, der Arbeitnehmerflügel der CDU, als 1. Vizepräsident. Die Rache kam postwendend: Alfred Schulz (SPD), Brokdorf–Demonstrant mit lila Kirchentagshalstuch und AKW– Sitzblockierer, kam als 2. Vizepräsident nicht mehr durch. CDU und FDP lehnten ihn in zwei Abstimmungen geschlossen ab. Im zweiten Stechen präsentierte die SPD ihren justizpolitischen Sprecher Uwe Jensen, von Beruf Verwaltungsrichter. Er ist noch nicht beim Demonstrieren erwischt worden und bekam 66 Ja–Stimmen.