Jugoslawiens Beamte ohne Knete

Belgrad (taz) - Vom einfachen Chauffeur bis hinauf zum Parlamentsabgeordneten sei Jugoslawiens Staatsbediensteten seit sechs Wochen kein Gehalt mehr ausbezahlt worden, meldeten gestern zahlreiche Zeitungen des Vielvölkerstaates an der Adria. Über Nacht verteuerten sich von Montag auf Dienstag früh Zigaretten um 50, Getränke aller Art um zehn Prozent und viele Metzger halten ihre Waren zurück, um ebenfalls einen 50prozentigen Preisschub durchzusetzen. Nachdem der bosnische Lebensmittelkonzern Agrokomerz durch Steuerhinterziehung und Scheckbetrug dem Land zu seinen 20 Milliarden Dollar Westschulden noch einige weitere Milliarden bescherte, stoppt die Nationalbank, vollkommen gesetzeswidrig, die Lohnausschüttung für 15.000 Agrokomerz–Beschäftigte seit zehn Wochen - mit Einverständnis der Gewerkschaftsbonzen. Daß sich die Arbeiter damit nicht abfinden, zeigen die über 1.000 illegalen Streiks allein in diesem Jahr, und daß sich leicht etwas zusammenbrauen könnte, erkennen die Staats– und Parteiführer schon längst. So meldete gestern die Zeitungen, alle Staatsbeamte müßten auf Lohn verzichten, außer den Militärangehörigen, die man nicht demoralisieren wolle. H. Hofwiler