Salvador: „Keine Annäherung in der Substanz“

■ Nach 20stündigen Verhandlungen besteht das einzige greifbare Ergebnis in der Fortsetzung der Gespräche / Kommissionen sollen Ergebnisse liefern / Rote Fahnen, Feuerwerk und Sprechchöre begrüßten das öffentliche Auftreten der Rebellenführer in der Hauptstadt

Aus San Salvador Ralf Leonhard

Der Dialog wird fortgesetzt. Das ist das einzige greifbare Ergebnis der über 20stündigen Verhandlungen in der apostolischen Nuntiatur San Salvadors, wo die Positionen von Regierung und Rebellen hart aufeinanderprallten. Das historische Treffen der Bürgerkriegsgegner endete zumindest nicht mit vorzeitigem Abbruch. Beide Seiten bestätigten nach dem Treffen, daß es keine Annäherung in der Substanz gegeben habe. Präsident Duarte beruft sich auf die Verfassung und den Friedensplan der zentralamerikanischen Präsidenten, wenn er sich jedem Zugeständnis versperrt. Die Rebellen ihrerseits verlangen nach siebenjährigem Bürgerkrieg Anerkennung als alternative Macht im Staat, die zunehmend Unterstützung im Volk gewinnt. Anders wäre nicht zu erklären, daß die von den USA subventionierte Armee die Guerilla nicht zu besiegen vermochte. Ein Meer von roten Fahnen, lautstarkes Feuerwerk und der Sprechchor „ein vereintes Volk wird nie besiegt“ begrüßten die Verhandlungsdelegation der Revolutionsfronten FMLN und FDR, als diese nach Mitternacht des zweiten Verhandlungstages vor das Volk trat. Hunderte Anhänger des Gewerkschaftsdachverbandes UNTS und Sympathisanten der Guerilla hatten mehr als zwei Tage auf dem Platz vor der Nuntiatur ausgeharrt, um den historischen Augenblick zu erleben, wie die Rebellenführer sich mitten in der Hauptstadt an die Öffentlichkeit wenden konnten. Guillermo Ungo, der Chef der „Demokratisch–Revolutionären Front“ (FDR), war in seinem hellbraunen Anzug und der roten Krawatte ganz der Professor, den viele der Anwesenden noch von der Katholischen Universität kannten. Die mageren Ergebnisse müßten als Anfangsresultate verstanden werden, erläuterte er: „Aber sie reichen aus, um die Kontinuität des Dialogs zu gewährleisten“. Unmittelbar zuvor hatte Erzbischof Arturo Rivera y Damas, der Gesprächsleiter und Vermittler, das gemeinsame Kommunique verlesen. Es sieht die Einberufung von zwei gemischten Kommissionen (je vier Vertreter der Regierung und der FDR–FMLN) vor, die einen Waffenstillstandsprozeß beziehungsweise den Friedensplan von Guatemala diskutieren sollen. Ob diese Gremien im In– oder Ausland tagen sollen, wußte auch Präsident Duarte noch nicht zu beantworten. Auf alle Fälle sollen sie vor dem 4. November ihre Ergebnisse vorlegen. Am 5. November läuft die im Vertrag von Guatemala vorgesehene 90–Tage–Frist zur Herstellung von Demokratie und Waffenruhe in den einzelnen Ländern ab. Sollte es zu keiner Einigung kommen, will Duarte die Armee zu einer einseitigen Waffenruhe verpflichten, „um dann zu sehen, ob die Guerilla weiter schießt“. Wie er die Armeekommandanten dazu bringen will, konnte er nicht erklären. Die Streitkräfte wollten nicht einmal eine fünftägige, von den Rebellen angebotene Einstellung der Feindseligkeiten während des Dialogs annehmen. Zur Beruhigung der extremen Rechten in Politik und Wirtschaft und wohl auch zur Erklärung seines eigenen Mangels an Flexibilität hatte der Präsident einen Passus ins Abschlußkommunique aufgenommen, daß sich die Regierung verpflichte, bei den Verhandlungen den Rahmen der Verfassung nicht zu übertreten. Das Grundgesetz wurde 1984 von einem aus umstrittenen Wahlen hervorgegangenen Übergangsparlament ausgearbeitet. Der Friede ist nach dieser dritten Dialogrunde in drei Jahren nicht nähergerückt. Hatten Duarte und Ungo vor 15 Jahren noch - der erste als Präsidentschaftskandidat, der zweite als sein Vize - auf einer gemeinsamen Wahlliste kandidiert, so liegen heute zwischen den Positionen der Widersacher Welten. Der Präsident wirft den Gegnern, die seit Jahren im Ausland oder in den Bergen leben, vor, die Veränderungen der letzten Jahre nicht mitbekommen zu haben. Doch steigende Arbeitslosigkeit und Verarmung der Bevölkerung auf der einen und Luxus auf der anderen Seite beweisen in den Augen der Rebellen, daß sich wenig geändert hat. So könne denn der Waffenstillstand nicht ein einfaches Einstellen der Feindseligkeiten sein, sondern das Ergebnis „einer Lösung, die die wichtigsten Ursachen des Konflikts beseitigt“, wie Comandante Shafick Handal, Generalsekretär der Kommunistischen Partei, auf der Tribüne vor dem Volk erklärte. „Wir müssen den Kampfgeist stärken und die Organisation konsolidieren, forderte der bärtige Kommandant, der in olivgrüner Uniform auftrat. In der FMLN rüstet man sich offensichtlich für einen Konflikt, der noch lange andauern kann.