„Heißer Herbst“ am Bauzaun in der Oberpfalz?

■ Aktionstage gegen die Wiederaufbereitungsanlage vom 8. bis 10. Oktober im Großraum Schwandorf / Kompromißformeln im gemeinsamen Aufruf / Öffentlichkeitskampagne der Polizei mit Ziel auf diejenigen, „die in der Gewaltfrage noch schwankend sind“

Von Bernd Siegler

Nürnberg (taz) - „Konstruktive, vermittelbare Aktionen, die sich nicht direkt gegen die Bevölkerung richten“, sollen im Mittelpunkt der diesjährigen Herbstaktionen gegen die WAAvom 8. bis 10. Oktober im Großraum Schwandorf stehen. Die Veranstalter erwarten „keine Massenmilitanz am Bauzaun“, nicht zuletzt weil sich verschiedene autonome Gruppierungen bereits aus den Vorbereitungstreffen verabschiedet haben. Die Herbstaktionen werden getragen von der bundesweiten und insbesondere Oberpfälzer Anti– AKW–Bewegung, der bayerischen Friedensbewegung und den Betroffenen der Maxhütten– Pleite. Das Aktionsbündnis löste jedoch bereits im Vorfeld nervtötende Auseinandersetzungen, getrennte Aktionsaufrufe und Kompromißformeln in der gemeinsamen Erklärung des Trägerkreises aus. Im Aufruf der Oberpfälzer BIs und der bundesweiten Anti– AKW–Bewegung wird die „sofortige Stillegung aller Atomanlagen“ gefordert. Diese zentrale Forderung findet im Aufruf der Friedensbewegung und im gemeinsamen Aufruf keine Beachtung. „Ausstieg aus der Kernenergie“ heißt es jetzt. Auch auf die Verwendung des Begriffs „Atomstaat“ konnten sich die Vertreter der Friedensbewegung nicht einigen. Dementsprechend verschwand auch das ursprüngliche Motto der Aktionstage „Sand ins Getriebe des Atomstaats“ aus der Überschrift des gemeinsamen Aufrufes. Trotz dieser Streitereien im Vorfeld glauben die Veranstalter an einen Erfolg der Aktionstage, zumal sich neben den 19 Organisationen im Trägerkreis rund 40 weitere Unterstützer gefunden haben. Darunter sind die Grünen (Bundesvorstand, Bundestagsfraktion, bayerischer Landesverband und Landtagsfraktion), die BI Lüchow–Dannenberg und Salzburger Anti–WAA–Initiativen, der DGB–Kreis Nürnberg sowiedie örtliche Polizeigewerkschaft. Wie bisher vor allen Großaktionen gegen die WAA versucht die Polizei auch diesmal, den Widerstand zu diskreditieren. Bereits vor den beiden Brandanschlägen in unmittelbarer Nähe des Baugeländes gegen ein Betonwerk bzw.eine Trafostation im September versuchte sich die Polizeiführung im Dialog mit den Oberpfälzer Bürgerinitiativen. Doch die verweigerten sich aufgrund ihrer bisherigen Erfahrungen. Auch der Versuch des Leiters des Zentralen Psychologischen Dienstes der Bayerischen Polizei, Hansjörg Trum, einen Beitrag zur „Rekultivierung des Demonstrationsgeschehens“ zu leisten, schlug fehl. Keine der 20 geladenen örtlichen Bürgerinitiativen nahm an der Veranstaltung des Polizeipräsidiums Niederbayern/Oberpfalz zum Thema „Psychologische Aspekte bei großen Menschenansammlungen - speziell Demonstrationen“ am 18. September teil. Als sich dann schließlich die „Revolutionären Zellen“ zum Anschlag auf die Umspannstation bekannten, gingen die Sicherheitsorgane in die Offensive. Das bayerische Innenministerium erhöhte die ausgesetzte Belohnung von 10.000 auf 50.000 DM und Polizeipräsident Wilhelm Fenzl sprach von einem „heißen Herbst“ in der Oberpfalz. In ihrer Kampagne verwies das Polizeipräsidium auf die Existenz „konkreter Hinweise“, wonach die Autonomen zu einer „kontinuierlichen militanten Kampagne gegen das WAA–Firmenkonsortium“ aufgerufen hätten. „Wir lassen uns die Oberpfalz nicht von Terroristen und Helfershelfern kaputtmachen“, tönte Fenzl auf einer Pressekonferenz und stellte das Konzept für die neue Öffentlichkeitskampagne der Polizei vor. Zielgruppe sind dabei „jene, die in der Gewaltfrage noch schwankend sind“. Mit der Polizei–Zeitung Blaulicht (Auflage 71.000) will Fenzl „die drohende, auf die Oberpfalz erneut zuschwappende Gewaltwelle“ ebenso brechen wie mit einer Plakataktion. Bilder militanter Aktionen prangen jetzt unter der Überschrift „Kriminell bleibt kriminell“ kombiniert mit der rhetorischen Frage „Soll das Widerstand sein?“ von den Litfaßsäulen in der Oberpfalz. Fenzl kündigte ein „Überdenken der polizeilichen Kräftekonzeption“ an und appellierte an die friedlichen WAA–Gegner zur „Mitarbeit in der Strafverfolgung“. „Wir weigern uns, hilfspolizeiliche Aufgaben zu übernehmen“, betonen unisono Ewald Ziegler von der nordbayerischen Friedensbwegung und Andi Rösing vom Anti–WAA–Büro in Schwandorf. Wie tragfähig die nach außen hergestellte Einigkeit innerhalb des Trägerkreises wirklich ist, wird sich während der geplanten Großdemonstration am Samstag zum Bauzaun erweisen. Seitdem die Regierung der Oberpfalz im Juni 1986 per Verfügung das Gebiet um die WAAfaktisch zur Bannmeile erklärt hatte, sind alle geplanten Demonstrationszüge zum Bauzaun verboten worden. Bisher heißt es in der Erklärung des Trägerkreises noch vollmundig: „Die Kundgebung mit anschließender Demonstration zum Bauzaun wird politisch, juristisch und praktisch durchgesetzt.“