In Stammheim wird wieder verhaftet

Stammheim (taz) - Zwei, drei Polizisten hatten sich auf einen Prozeßbesucher geworfen. Schreiend vor Schmerzen, mit verdrehten Armen wurde der dann über Besucherstühle, dann am Boden schleifend vor die Richter des 5. Strafsenats im Stammheimer Prozeßgebäude geschleppt. Szenen solcher Härte hatte es hier seit der Zeugenvernehmung des RAF– Mitglieds Christian Klar im Prozeß gegen Peter Jürgen Boock nicht mehr gegeben. Ralf H. ein junger Mann von 23 Jahren sollte gestern im Stammheimer Prozeß gegen Eva Sybille Haule–Frimpong, Luitgard Hornstein und Christian Kluth. denen die Bundesanwaltschaft Mitglied schaft bzw. Unterstützung der RAF vorwirft, als Zeuge vernommen werden. Ralf H., vom Vorsitzenden Richter Herbert Schmid auf sein Recht der Zeugnisverweigerung aufmerksam gemacht, wollte nicht aussagen. Auch nicht zur Herkunft eines kopierten Stadtplans, der in seiner Wohnung gefunden worden sein soll, und in dem unter anderem der Bonner Sitz des Bundesministerium für wirtschaftliche Zudammenarbeit markiert worden war. Mit seiner Aussage vor Gericht, so erklärte der Zeuge, solle er zur Denunziation gezwungen werden. Die polizeiliche Vernehmung und die Durchsuchung seiner Wohnung hätten ihn kriminalisieren sollen. Der Angeklagte Christian Kluth hatte die Markierungen zuvor als Festlegung einer Demonstrationsroute bezeichnet. Der Zeuge wollte dazu nichts erklären. Daß er sich weigert, sein Aussageverweigerungsrecht in Anpruch zu nehmen, trägt ihm eine mehrtägige Ordnungsstrafe und Erzwingungshaft bis zu sechs Monaten ein. Als der Zeuge abgeführt wird, rumort es in den Reihen der Prozeßbeobachter. Abschiedsrufe werden laut, ein paar Besucher recken die Fäuste. Stellen Sie die Personalien fest, fordert der Richter. Die Betroffenen weigern sich aufzustehen, ihre Ausweise hatten sie eh vor den Schleusen des Stammheimer Prozeßgebäudes abgeben müssen. Dann kommt es zum Handgemenge. Auf Zahlung von 200 DM und eine einwöchige Ordnungshaft entscheidet der Vorsitzende Richter. Eine Frau konnte nach Zahlung von 50 DM wegen ungebührlichen Verhaltens vor Gericht weiter im Prozeßsaal bleiben. Einen Befangenheitsantrag der Rechtsanwälte von Christian Kluth und Luitgard Hornstein hatte das Gericht gestern nachmittag abgelehnt. Die Verteidiger hatten dem Vorsitzenden Richter vorgeworfen, eine Schriftsachverständige zu ungunsten ihrer Mandanten beeinflussen zu wollen. Dietrich Willier