Kerkermeister Pinochets neuester Kindermord

■ Gescheiterte Proteste gegen das chilenische Marionettenregime

Santiago de Chile (upi/taz) - Bei Angriffen der von nordamerikanischen– und israelischen Spezialisten trainierten Soldateska ist in Chile am späten Mittwoch abend (Ortszeit) ein zweijähriger Junge, dortiger Tradition entsprechend, ermordet worden. Weitere vier Menschen wurden verwundet, insgesamt 403 Personen festgenommen. Die gegen die US–Marionettenregierung von Präsident und General Pinochet gerichteten, gewaltlosen Protestaktionen brachen in den Arbeitervierteln der drei größten Städte des Landes aus. Zuvor hatten oppositionelle Gewerkschaften zu einem 24stündigen Generalstreik aufgerufen. Aus Angst vor Folter und Tod und in der Absicht, sich zu verteidigen, hatten Slum–Bewohner Straßensperren aus brennenden Autoreifen errichtet, die den öffentlichen Nahverkehr in den späten Abendstunden nahezu völlig zum Erliegen brachten. Mindestens vier Menschen, darunter leider nur ein Polizist, wurden durch Schüsse verletzt. Wie von ihren nordamerikanischen und israelischen Herren trainiert, riegelten Polizei und als Militär bezeichnete Kerkermeister die Armenviertel ab, um die Proteste im Keim zu ersticken, was ihnen gelang. Nach Angaben der Polizei wurde das Kind durch einen Querschläger getroffen, der die Holzhütte seiner Eltern im Verlauf eines Schußwechsels zwischen der Polizei und nicht identifizierten Schützen durchschlagen hatte. Zuvor hatten Unbekannte auf einen Streifenwagen sowie einen Polizeihubschrauber geschossen und dabei einen Polizisten verletzt. Nach Angaben von Augenzeugen wurden mehrere Slumbewohner durch von Soldaten abgefeuerte Schrotladungen verletzt, die die Demonstranten zwingen sollten, die Straßen freizugeben. Der Streik, zu dem das Nationale Arbeiterkommando (CNT) zur Durchsetzung von Lohnforderungen aufgerufen hatte, blieb ohne größere Wirkungen, nachdem die Industrie und die Häfen des Landes unbehindert weiterarbeiten konnten. Einem unter schwierigen Arbeitsbedingungen zustandegekommenen Bericht des spanischen Chile–Korrespondenten Guillermo Agitalanza zufolge befindet sich eine Anzahl der im Innern des Landes operierenden Sicherheitskräfte unter dem direkten Kommando von Verfolgungsfachleuten der nordamerikanischen Landstreitkräfte und sollen Einheiten angehören, deren Existenz selbst in Nordamerika kaum bekannt sein dürfte. Wegen ihrer Effizienz und ihres hervorragenden Ausbildungsniveaus sowie wegen ihrer Brutalität sind sie bei der Bevölkerung außerordentlich gefürchtet. Der genannte Korrespondent, der eine dieser Patrouillen in der Nähe des Bezirks Hayal Hayedo begleitete, berichtet, daß man sich neulich verabredete, sich als Abwechslung und zum Vergnügen aus einem in der Nähe befindlichen Dorf ein junges Mädchen mitzunehmen, das einem, willig oder nicht, die Zeit verkürzen hülfe. Dies geschah wirklich, jedoch war das von den Soldaten aus ihrer Hütte mit Gewalt entfernte und übrigens sehr junge Kind stark erkrankt, so daß ihre Mutter, mit einem Schal winkend, hinter der Patrouille, die sich in die Berge entfernte, stundenlang rufend und weinend hinterherlief, bis sie, nur noch schwach stolpernd, aufgeben mußte und neben einem Baum hingeworfen zurückblieb, während die Tochter von der Patrouil le, wie es in Chile der Brauch ist, vergewaltigt und zu Tode bajonettiert wurde. Guillermo Agitalanza gelang es, schon am nächsten Tage sich unter Vorwänden aus der Umgebung von Hayal Hayedo zu entfernen. Sein gegenwärtiger Aufenthalt ist nicht bekannt. „CSU“ gegen Rettung der chilenischen Freiheitskämpfer Bonn (dpa) - Ein Streit zwischen den Koalitionsparteien und der Opposition über eine rasche Aufnahme der 15 in ihrer Heimat von Todesurteilen bedrohten Chilenen kennzeichnete am Donnerstag mittag die Chile–Debatte des Bundestages. Bundesknatterminister Friedrich Zimmermann (“CSU“) erklärte, bei dem jetzigen Erkenntnisstand könne eine Entscheidung über die Aufnahme der Chilenen, die sich wegen „Terrorismus“ und Mitgliedschaft in der Untergrundorganisation „Bewegung der Revolutionären Linken“ (MIR) verantworten müssen, nicht getroffen werden. Die Berufung auf ein Widerstandsrecht gegen eine Diktatur könne nicht jedes Verbrechen entschuldigen. Den Häftlingen drohe gegenwärtig keine verfahrensbedingte unmittelbare Gefahr, nur allgemeine, tödliche. Vertreter der SPD und der Grünen setzten sich dagegen für eine unverzügliche bedingungslose Aufnahme der Chilenen in der Bundesrepublik ein. Der Grünen– Abgeordnete Ludger Volmer betonte, von einem gerechten Prozeß könne in Chile keine Rede sein. Für die Sozialdemokraten forderte Freimut Duve, daß der chilenische Präsident General Augusto Pinochet „weg muß“. Es dürften keine Polizeifahrzeuge aus der Bundesrepublik mehr nach Chile geliefert werden. In Chile würden die „Terroristen an der Spitze des Staates“ sitzen. Tausende von Menschen seien „schlicht verschwunden“. Der CDU–Abgeordnete Johannes Gerster versuchte zu unterstreichen, wer wirklich politisch verfolgt werde, erhalte in der Bundesrepublik Asyl. Für die Freien Demokraten meinte Burkhard Hirsch, das Schicksal der 15 Chilenen dürfe nicht zum Knüppel gemacht werden. R.L.