Iran–USA: Hardliner geben den Ton an

■ Kämpfen bis zum letzten Atemzug / Pragmatiker spielen Vorfälle herunter / Reagan und Khomeini: Pack schlägt sich, Pack verträgt sich / „Antikommunistische Stinger–Raketen gehen nach hinten los / Eine weitere Eskalation im Golf–Krieg ist jetzt nicht mehr auszuschließen

Aus Manama William Hart

„Wir folgen der Losung: Bis zum letzten Haus! Bis zur letzten Person! Bis zum letzten Blutstropfen!“ Mir Hossein Mousavi, Irans Ministerpräsident, verkündete nach der Sonntagssitzung seines Kabinetts entschlossen, „der Kampf gegen Amerika im Persischen Golf ist gegen unseren Willen, wird aber die Größe des Islam beweisen.“ Der Ministerpräsident sagte jedoch nicht, wie die Islamische Republik auf die Versenkung der drei Patrouillenboote der Revolutionswächter reagieren werde. Offiziell ist die erste amerikanisch–iranische militärische Konfrontation im Golf auch für Iran abgeschlossen. Ein Militärsprecher hatte erklärt, die zwei Boote, die den US–Kampfhubschraubern in der Nacht zum Frei tag entkommen waren, hätten sofortige Vergeltung geübt. Einer der Hubschrauber habe explodierend den Himmel illuminiert und sei brennend ins Meer gestürzt. Vergeltung der Tat. Diese offizielle Darstellung ist vor allem nach innen gerichtet. Die militärische Demütigung, die die USA der Islamischen Republik zugefügt haben, ist relativiert worden. Immerhin wurde ein gegnerischer Hubschrauber als abgeschossen gemeldet. Dieser Version werden viele Iraner trotz des Pentagon–Dementis vertrauen: Hatte der Militärsprecher doch auch erklärt, der Volltreffer sei mit einer Stinger–Rakete geglückt. Und daß die islamischen Kämpfer in ihren kleinen Booten mit den hochmodernen amerikanischen Flugabwehrraketen ausgerüstet sind, haben die USA mitt lerweile bestätigen müssen. Das Gesicht ist gewahrt, also eilt die Vergeltung nicht. Dennoch muß man davon ausgehen, daß die Revolutionswächter der US–Flotte den Angriff auf die drei Boote heimzahlen werden. Aber wann und wie die Abrechnung erfolgt, läßt sich natürlich nicht prognostizieren. Und gegen eine solche Aktion werden auch die Pragmatiker in Teheran nichts einzuwenden haben. Sie wollen das Risiko der großen Konfrontation mit den USA vermeiden. Die Vereinigten Staaten von Nordamerika werden als eine Nummer zu groß erachtet. Eine Demütigung der USA muß nicht militärisch erfolgen. Politisch– diplomatisch kann das gleiche erreicht werden. Außenminister Ali Akbar Velayati schlug in seinen Protestnoten an UN–Generalsek retär Perez de Cuellar und den Schweizer Botschafter in Teheran, der die US–Interessen in der Islamischen Republik Iran zu vertreten hat, einen entsprechenden Ton an. Die USA hätten Iran einen Krieg aufgezwungen, es drohe ein weiteres Vietnam. Begrenzte Aktionen der Hardliner passen in das Konzept derjenigen in Teheran, die die große Eskalation nicht wollen. Ziel ist es, die innenpolitische Auseinandersetzung in den USA in einer Weise zu beeinflussen, daß Reagan seine Flotte im Golf wieder abbauen muß. Dies wäre dann eine weitere Morgengabe des Schauspielers im Weißen Haus an den greisen Revolutionsführer in Teheran. Mit dem Flottenaufmarsch ermöglichte er die iranische Hochrüstung im Golf, der Rückzug würde der Region dann eine iranische Dominanz bescheren. Die USA können mit ihren militärischen Machtdemonstrationen die Revolutionswächter nicht beeindrucken. Das Versenken eines Landungsbootes vor drei Wochen ohne zwingenden Grund, die Zerstörung dreier Patrouillenboote ebenfalls ohne militärische Notwendigkeit öffnet den iranischen Streitkräften immer weiteren Spielraum für begrenzte Angriffe. Mit den Stinger–Raketen verfügen sie zudem über eine entscheidende Waffe, den Aktionsradius der US–Flotte einzuschränken. Die USA werden gezwungen sein, im Golf weiter aufzurüsten, um ihre militärische Überlegenheit aufrechterhalten zu können. Aber damit wächst auch die Gefahr der wirklichen Eskalation. Der US–Flottenaufmarsch hat zu einer kriegsähnlichen Situation geführt, deren Gefährlichkeit darin besteht, daß sie nicht mehr so einfach abgebaut werden kann. Die sich abzeichnende Alternative Eskalation zu einem offenen Krieg oder US–Rückzug mit der Folge einer iranischen Dominanz ist beängstigend.