Italiens Regierung macht artigen Kniefall vor dem Heiligen Stuhl

■ „Einigung“ über Religionsunterricht nach Facon der Oberhirten in Rom / Religion bleibt Zwangsfach ohne Ausweichmöglichkeiten / Schlappe für „liberalen“ Erziehungsminister

Aus Rom Werner Raith

Mit einem artigen Kniefall vor dem Heiligen Stuhl endete am Samstag in Italien die seit einein halb Jahren währende Auseinandersetzung um die Frage des Religionsunterrichts an den staatlichen Schulen. Zwar ist nach der nun vom Parlament mehrheitlich abgesegneten neuen Vereinbarung den Schülern die Teilnahme am Religionsunterricht freigestellt, doch de facto werden verweigernde Schüler auch künftig mehr oder minder kräftig zur Glaubenslehre gepreßt. Die Auseinandersetzung war eine Folge des von der früheren Regierung unter dem Sozialisten Craxi aus Publicitygründen überhastet abgeschlossenen neuen Konkordats mit dem Vatikan sowie eines ohne jegliche parlamentarische Mitwirkung ausgehandelten Vertrags zwischen der damaligen Erziehungsministerin Falcucci und der italienischen Bischofskonferenz. Zwar bestimmt das Konkordat, daß der Katholizismus nicht mehr wie im bis 1984 gültigen Lateranvertrag aus der Mussolinizeit Staatsreligion ist und der Glaubensunterricht daher nur noch auf freiwilliger Basis erfolgen darf. Doch Genaueres wurde nicht festgeschrieben, sodaß die klerushörige Schulministerin den Konkordatssinn umdrehen und die Abwahl der Glaubensunterweisung so behindern konnte, daß sich am Ende mehr als 90 Prozent der Italiener gezwungen sahen, ihre Kinder doch zu den den Pfarrern zu schicken. Gerichtsurteile haben diesen Zustand für unzulässig erklärt und der neue Erziehungsminister Galloni vom linken Flügel der Christdemokraten suchte daher die Religionsstunden an den Anfang oder das Ende des Schultages zu legen, um so die Nichtteilnehmer später anrücken beziehungsweise, früher weggehen zu lassen. Daraufhin kam es zur bisher massivsten Einmischung des Heiligen Stuhls in die inneren Angelegenheiten eines souveränen Staates. Auf direkte Intervention des Vatikan hin ließ Ministerpräsident Giovanni Goria eine gerade laufende Debatte im Kulturausschuß unterbrechen und für zwei Wochen aussetzen; dann verhandelte er an einem geheimen Ort direkt mit dem Vatikans–Staatssekretär Cas oppositionellen Kommunisten, Grünen und Demoproletarier sehen. Das parlamentarische Plazet zur Vereinbarung mit der Kirche wurde dann schließlich durch den überraschenden Umfall der Sozialisten ermöglicht, die bislang die Vorbehalte gegen den Religionsunterricht geteilt hatten, sich mit ihrem Nachgeben aber offenbar wieder bessere Beziehungen zum Vatikan erhoffen.