Hartes Ringen um die UNESCO–Führung

■ Westliche Industrienationen wollen um jeden Preis die Wiederwahl des Dritte–Welt–Kandidaten MBow verhindern

Aus Paris Michael M. Thoss

Die Pariser UNESCO–Zentrale, Place Fontenoy, ist in diesen Tagen zum Schauplatz eines diplomatischen Nord–Süd–Konflikts geworden. Seit nunmehr einer Woche versuchen die im Tiefgeschoß tagenden 50 Mitglieder des Exekutivrates - darunter Vertreter der Bundesrepublik und der DDR vergeblich, sich auf einen gemeinsamen Kandidaten für den Sessel des Generaldirektors zu einigen. Dieser müßte von der Generalkonferenz, in der Vertreter aller 158 Mitgliedsstaaten sitzen, am 7. November bestätigt werden. Daß der Konsens dieses Mal jedoch nicht einfach herzustellen sein würde, ließ schon die stolze Zahl von eingangs elf offiziellen Kandidaturen erahnen. Der spektakuläre Rücktritt des pakistanischen Kandidaten am Freitag verschob den dritten von fünf möglichen Wahlgängen auf den heutigen Abend. Der Ex–General und jetzige Außenminister Pakistans, Yaqub Khan, galt als Spitzenkandidat des westlichen Lagers, das eine Wiederwahl des seit 13 Jahren amtierenden Senegalesen Amadou Mahtar MBow unter allen Umständen verhindern will. Kanada und Japan haben für den Fall eines dritten Mandates MBows, der bisher mit 18 von 26 nötigen Stimmen vornliegt, öffentlich ihren Austritt aus der UNESCO angedroht. Regierungskreise in der BRD, Belgien und der Schweiz erwägen finanzielle Sanktionen. Wegen persönlicher, vor allem aber ideologischer Differenzen mit MBow, dem Mißwirtschaft und antiwestliche Propaganda vorgeworfen wurden, waren 1984 und 85 schon die USA und Großbritannien aus der UNESCO ausgetreten, was deren Budget um 30 Der pakistanische Oberst und frühere Botschafter in Paris und Washington besitzt dagegen das Vertrauen amerikanischer Politiker und sollte diese zur Rückkehr in die UNESCO bewegen. Die französische UNESCO–Delegierte Gisele Hamili war aus Protest gegen Frankreichs Entscheidung für Khans Kandidatur am 7. 10. von ihrem Posten zurückgetreten. Die Juristin und Frauenrechtlerin nannte es unvereinbar mit den UNESCO–Statuten, als Generaldirektoren einen Militär zu wählen, dessen Regierung sich an die Macht geputscht habe und regelmäßig die Menschenrechte verletze. Ihr Rücktritt, vom konservativen Figaro als „Staatsstreich“ bezeichnet, kommt in diesen Stunden dem spanischen Kandidaten Federico Mayor Zaragoza zugute. Der smarte Mittfünfziger, Molekularbiologe von Beruf und Europarlamentarier aus Berufung, kennt den UNESCO–Betrieb aus seiner dreijährigen Amtszeit als Vertreter MBows bis 1984. Mayor, dessen Kandidatur von elf Nobelpreisträgern befürwortet wird, sieht die Hauptaufgaben der UNESCO im ökologisch–naturwissenschaftlichen Bereich und will dort verstärkt mit regierungsunabhängigen Einrichtungen zusammenarbeiten: Ein weltweit anerkannter Wissenschaftler an der Spitze der Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur der Vereinten Nationen könnte ihr Image aufbessern und eine politische Debatte entkrampfen helfen, die in den letzten Tagen einen reinen Konfrontationskurs verfolgte. Für die Wahl Mayors sind jedoch die Stimmen der Sowjetunion und ihrer Verbündeten ausschlaggebend, denn der pakistanische Oberst trat im Namen einer neuen „afro–asiatischen“ Solidarität zugunsten seines ehemaligen Gegners zurück. Den Vogel schoß allerdings die französische Geheimdiplomatie ab, deren neueste Strategie der Presse zu entnehmen war. Zur Irritation seiner westlichen Verbündeten heißt der Kandidat der Franzosen heute - Amadou Mahtar MBow.