Menschenjagd am WAA–Bauzaun

■ Staatsanwaltschaft ermittelt gegen unbekannte Polizisten - Zwei Demonstranten noch immer im Krankenhaus / Auch Journalisten angegriffen / Holzknüppel auf Köpfen kaputtgeschlagen

Aus Nürnberg Bernd Siegler

„Wir müssen davon ausgehen, daß die Polizei weniger auf Festnahmen von Demonstranten aus war, sondern daß die Demonstration durch die Sondereinsatzkräfte aus Berlin in einer wahren Prügelorgie zerschlagen werden sollte.“ So lautet das Fazit des Trägerkreises der Aktionstage gegen die WAA zum harten Vorgehen der Polizei am Samstag nachmittag am WAA–Bauzaun. 30.000 Menschen waren entgegen dem Verbot des Bayerischen Verwaltungsgerichtshofes zum Bauzaun marschiert und mußten dort miterleben, wie sich insbesondere Berliner Polizisten u.a. die nach den Kreuzberger Krawallen gebildete Spezialeinheit „für besondere Lagen und einsatzbezogenes Training“ „durch eine noch nie dagewesene Brutalität“ (Trägerkreis) ausgezeichnet haben. Ausgerüstet teilweise mit Gummi– und Holzknüppel, Knieschutz und Gesichtsvisieren machten sie Jagd auf herumstehende bzw. fliehende Demonstranten. Eine Münchener Medizinstudentin wurde dabei mehrfach mit dem Holzknüppel auf Nacken und Rücken geschlagen. Sie wurde inzwischen aus der Intensivstation entlassen und liegt wie ein weiterer Demonstrant noch im Krankenhaus. Andere Zeugen berichten über einen weiteren Schwerverletzten, den fünf Beamte zuerst zusammengeschlagen, dann an den Haaren ins Baugelände geschleift haben. In zwei Fällen sollen Polizisten ihre Holzknüppel auf den Köpfen von WAA–Gegnern kaputtgeschlagen haben. Eine Frau wurde zusammengeschlagen und mit Füßen in den Magen getreten. Auch die Presse waren vor Angriffen der Polizisten nicht ausgenommen. Ein Sprecher des Trägerkreises warnte davor, die „Berliner jetzt als Buhmann“ aufzubauen. „Die Bayerischen Behörden haben gewußt, welche Einheit sie zu welchem Zweck geholt haben.“ Es sei scheinheilig, „erst den für ihre Brutalität berüchtigten Einsatzkräften aus Berlin freie Hand am Bauzaun zu geben und dann so zu tun, als hätte man alles nicht gewollt.“ Die Staatsanwaltschaft in Amberg hat inzwischen ein Ermittlungsverfahren gegen unbekannte Polizeibeamte im Zuge des Einsatzes am Bauzaun eingeleitet, „um die in Öffentlichkeit und Medien erhobenen strafrechtlichen Vorwürfe zu überprüfen“. „Prügelausflug ins Franz–Josefs–Land“ Berlin/Wackersdorf/München (dpa) - Der bayerische SPD– Landesvorsitzende Rudolf Schöfberger sprach am Montag von einer „paramilitärischen Sondereinheit der preußischen Polizei“, die „friedliche bayerische Bürgerinnen und Bürger niederprügeln“. „Wie verkommen ist eigentlich eine bayerische Staatsregierung, die preußische Truppen gegen Bayern einsetzt“, fragte Schöfberger, der eine „rücksichtslose Aufklärung“ im Bayerischen Landtag und die Wiederherstellung des bayerischen Selbstbewußtseins forderte. Die „losgelassenen preußischen Polizisten glaubten wohl, sie könnten einen Prügelausflug ins Franz– Josefs–Land unternehmen“, meinte der SPD–Vorsitzende. Die Berliner Polizeiführung ließ sich über die Vorgänge unterrichten und wollte keine Stellungnahme abgeben. Es stehe jedoch fest, daß die Einheit der örtlichen Einsatzleitung unterstellt gewesen und von dieser geführt worden sei. Sollten sich Übergriffe bestätigen, werden nach den Worten der Berliner Polizei selbstverständlich die notwendigen Konsequenzen folgen. Nur dem „entschlossenen und umsichtigen Vorgehen“ der Polizei sei es zu verdanken, daß das Ausmaß der gewalttätigen Ausschreitungen auf ein Mindestmaß beschränkt wurde, erklärte Bayerns Innenminister August Lang in einer Mitteilung und begrüßte die Festnahme von „Steinewerfern, Vermummten und anderen gewalttätigen Störern“. Dabei habe auch gerade die von Dritten kritisierte Berliner Einheit gute Erfolge erzielt. Der Minister wandte sich gegen eine „völlige Verdrehung der Tatsachen und der Rechtslage“ durch die SPD.