Der Krimi, den das Leben schrieb

■ Ein Ministerpräsident ist in eine Staatsaffäre verwickelt / Ein Ministerpräsident wird tot in einer Hotelbadewanne aufgefunden / Ein Ministerpräsident gibt Rätsel auf

Im Volksmund weiß man schon seit langem, daß die Politik ein dreckiges Geschäft ist, und daß die Anzüge derer, die sie machen, deshalb aus rein praktischen Gründen dunkel sein müssen. Dennoch galten bis vor ein paar Tagen diejenigen als die Spitzen der Gesellschaft, denen man nun bis hin zum Mord alles zutraut. Was bisher ins Phantasiereich von Politkrimis gehörte, scheint nun von der Wirklichkeit übertroffen zu werden. Eine Nation darf teilhaben an dutzenden von offenen Fragen, die eher zeigen, was man den Politikern so alles zutraut, als daß sie Antworten geben: Was zum Beispiel läßt einen Ex–Ministerpräsidenten einen unbekannten Informanten ausgerechnet in Genf, der Stadt der Nummernkonten und der Waffenschiebereien treffen? Und was läßt ihm, der doch in Genf nur seine Ehre herstellen wollte, diesen Kontakt so unehrenhaft erscheinen, daß er sich dabei nicht einmal von seinem Body–Guard beobachten lassen will? Was wenn dieser gerade deklassierte Politiker dort etwas ganz anderes suchte als einen Informanten? Was veranlaßt einen Politiker, der gerade von Stern–Reportern gehetzt wird, vor diesen journalistischen Großwildjägern nicht einmal sein Hotelzimmer abzuschließen, und was treibt diesen Mann dazu, vollbekleidet in die Wanne zu steigen? Und was, wenn er nicht gestiegen ist, sondern gelegt wurde und ein Fön, der ohne Spuren einen tödlichen Herzschlag hinterläßt, nur verschwunden ist? Und was hat dieser Mann zuvor seiner jetzt „trauernden“ Witwe angetan, daß diese wenige Stunden nach dem Tod des Gatten fast wie erlöst in die Fernsehkameras schaut und die Bild– Zeitung extra eine Psychologin bemühen muß, um dieses merkwürdige Phänomen zu erklären? Was wußten Barschels CDU–Kollegen, daß sie ihn lieber dem freien Fall überließen, als durch ihn selbst in den noch unbekannten Sumpf gezogen zu werden? Und warum hält sich Saubermann Stoltenberg so vom Abgrund fern? Was, bitte schön, ist in die SPD gefahren, daß sie weiszumachen versucht, ihr Pressesprecher habe Engholm nicht verraten, daß Pfeiffer den Auftrag hatte, seine Bespitzelung zu organisieren? Und da soll der SPD–Mann dem CDU–Kollegen nicht geraten haben, sofort zur Staatsanwaltschaft zu gehen oder das Ganze zumindest gleich öffentlich zu machen? Und was hat Herr Pfeiffer mit dem Bremer Staatsschutz zu tun, daß gestern das Dienstzimmer eines Bremer Beamten durchsucht wurde? Was wiederum, wenn - wie Bild jetzt behauptet - Pfeiffer mit verstellter Barschel–Stimme die belastenden Telefonate geführt hat und Pfeiffer vielleicht gar nicht so hieße, sondern tatsächlich Wallraff wäre und der wiederum aber Gremliza ist? Fragen über Fragen, die - wie der Mordfall Palme - im Gegensatz zu den Politkrimis nie beantwortet werden, denn ihre Aufklärung würde wahrscheinlich ein noch finstereres Licht auf politische Machenschaften werfen als der Wähler erlaubt. Ve.