Zeitungskrieg für Mainzer Bürger

■ Seit Mittwoch erscheinen in Mainz zwei lokale Tageszeitungen / Erster Versuch in der Zeitungsgeschichte der BRD, einen „Ein–Zeitungs–Kreis“ zu knacken

Aus Mainz Felix Kurz

Zwei von drei Mainzer BürgerInnen würden es begrüßen, wenn es in Mainz noch eine zweite Tageszeitung geben würde. Mit dieser Marktanalyse begründet der Geschäftsführer des Koblenzer Mittelrhein–Verlages, Walterpeter Twer, das neue Projekt einer lokalen Tageszeitung, das am Mittwoch in Mainz startete. Mit der Mainzer Rhein Zeitung (Startauflage 65.000), die in den ersten drei Tagen kostenlos an die Haushalte verteilt wird, versucht der Verlag, zum ersten Mal in der Nachkriegsgeschichte einen sogenannten Ein–Zeitungskreis zu knacken. Aufgrund von Konzentrationserscheinungen in der deutschen Presselandschaft haben die Verleger in der Regel ihre Gebiete gegenseitig durch Absprachen abgegrenzt. Bislang waren die Mainzer durch das traditionelle Lokalblatt, die Mainzer Allgemeinen Zeitung (AZ) der Zeitungsgruppe Rhein–Main–Nahe, mit Hintergrundnachrichten und kritischen Kommentaren nicht gerade verwöhnt. Das zahme Blatt produzierte zweieinhalb Lokalseiten für Mainz. Dem setzte die 40–Seiten starke Nummer eins der Mainzer Rhein–Zeitung nun Lokalseiten entgegen. Diesen ungewöhnlichen Umfang will Chefredakteur Hanspeter Sommer, solange genügend Nachrichten vorhanden sind, auch beibehalten. Dazu gehört zum Beispiel ein lokales Thema des Tages. In der Erstausgabe war es die Erhöhung der Müllgebühren. Auch eine Seite „Heimatsport“ wird angeboten. Genau zwölf Tage vor der ersten Ausgabe der neuen Konkurrenz erfuhr man in der Mainzer Verlagsanstalt von dem Coup. Und dort reagierte man prompt. Die Lokalseiten wurden auf fünf Seiten erhöht und zwei neue Rubriken eingeführt, die Klatschspalte „Showfenster“ und „Das Brautpaar der Woche“. Damit das der Leser auch merkt, plakatierte das Unternehmen die ganze Stadt zu mit dem Slogan: „Guten Morgen Mainz, Deine erste Zeitung hat Deinen Stadtteil erweitert.“ Eine neue „Leser–werben–Leser“–Kampagne wurde mit aufwendigen Werbegeschenken gestartet und die Kleinanzeigenpreise wurden teilweise gesenkt. Ob man damit al lerdings gegen das wesentlich günstigere Abonnement der neuen Konkurrenz ankommt, ist eher unwahrscheinlich. Mit einem Abo– Preis von lediglich 17,80 pro Monat liegt die Mainzer Rhein–Zeitung ganze sieben DM unter dem Abo–Preis der AZ. Das hat natürlich auch seine Gründe in der bestehenden Infrastruktur des Mittelrhein–Verlags, der sowohl das technische als auch das Vertriebssystem besitzt und nur ein paar wenige Mitarbeiter für Redaktion und Büroarbeiten in Mainz einstellen muß. Bislang machen das neue Blatt 18–20 Redakteure und Volontäre. Einige davon wurden regelrecht vom Stammsitz Koblenz ausgeliehen und diejenigen, die bislang den Umbruch der Titelseite in Koblenz erstellt haben, müssen jetzt zwei Titelseiten umbrechen. So erklären sich wohl die recht geringen Kosten von rund fünf Millionen Mark, die Verleger Walterpeter Twer bis Weihnachten für das neue Blatt veranschlagt hat. Aufgeschlossen, kritisch, neugierig, emanzipiert und ehrlich, mit seriöser, schneller Information und einer offenen, unabhängigen Kommentierung will man Leser gewinnen, so Sommer, der auch Chefredakteur der Rhein– Zeitung in Koblenz ist. Doch gerade die Rhein–Zeitung und ihr Chefredakteur schweigen gerne die Grünen im Lande tot. Und auch eine Todesanzeige für ein Grünenmitglied landete nicht etwa auf den dafür üblichen Seiten, sondern wurde, mit der Begründung, es handele sich um Werbung für die Öko–Partei, bei den gewerblichen Anzeigen zwischen Inseraten für Kachelöfen versteckt. (Die taz berichtete). Die Koblenzer Rhein–Zeitung (verkaufte Auflage 233.000) gehört zu den größten Tageszeitungen in der Bundesrepublik. Dem Mittelrhein–Verlag gehören außerdem Fachzeitschriften und zahlreiche Anzeigenblätter mit einer Auflage von über einer halben Million Exemplaren. Im Fernsehgeschäft hat sich der stark expandierende Verlag bis auf eine einprozentige Beteiligung bei Sat 1 wieder zurückgezogen. Rund sechs Millionen Mark kostete den Verlag eine eigene Fernsehgruppe, die Eurovision mit rund 30 Angestellten. Auch die Verleger der AZ haben sich im Privatfernsehen engagiert. Nun müssen sie vielleicht die finanziellen Kräfte gegen die neue Konkurrenz aus Koblenz sammeln.