Stürmischer Parlamentsauftakt

■ Demonstranten sorgten mit Protest gegen Neofaschismus für Unruhe in der kommunalen Volksvertretung

Von Holger Bruns–Kösters

Bremen (taz) - Während der Vorsteher der Stadtverordnetenversammlung Bremerhaven, Alfons Tallert (SPD), die zur konstituierenden Sitzung obligatorischen Worte von dem beschränkten Handlungsspielraum des Parlamentes sprach, skandierten etwa 50 BesucherInnen der Sitzung lautstark „Nazis raus!“ Die Adressaten des Protestes, die Stadtverordneten der neofaschistischen Deutschen Volksunion (DVU), Hans Altermann und Wolfgang Schmidt, ließen sich derweil ungerührt von Tallert per Handschlag auf ihre ehrenamtliche Tätigkeit verpflichten. Bedrohlich wurde die Situation für weiter vorne sitzende ZuschauerInnen. Ein Demonstrant warf eine Flasche in den Raum, ein Knallkörper explodierte, eine Bierflasche zersplitterte in der Eingangstür und verletzte einen Saalordner. Tallert unterbrach die Sitzung, die Polizei räumte den hinteren Teil des Saales. Während der Auseinandersetzung wandte sich eine Vertreterin der Fraktion der Grünen - allerdings ohne Erfolg - an die Jugendlichen: „Wenn ihr uns unterstützen wollt, dann bitte ich Euch, damit aufzuhören.“ Zwei Stunden vor der Stadtverordnetenversammlung hatten sich 500 BremerhavenerInnen, so die Zählung der Polizei, auf den Aufruf von mehr als 20 Organisationen getroffen, um vor den Gefahren eines neuen Faschismus zu warnen. Die KundgebungsrednerInnen wollten nicht alle 3.703 BürgerInnen der Stadt, die der DVU ins Parlament verholfen hatten, als Faschisten bezeichnet wissen. Der Hintergrund des Wahlerfolges liege vor allem in der hohen Arbeitslosigkeitund fehlender sozialer Sicherheit. Ohne eine Wirtschaftspolitik, die Arbeitsplätze schaffe, sei der Neofaschismus nicht wirksam zu bekämpfen. Die RednerInnen forderten die Stadtversammlung auf, sich für ein Verbot neofaschistischer Organisationen einzusetzen. Soweit will die SPD jedoch nicht gehen. Ihre vorsichtige Anregung: Die Verwaltung möge prüfen, ob es möglich sei, der DVU öffentliche Räume zu verweigern.