In der Schweiz bleibt alles beim alten

■ Sozialdemokratische Partei verliert sieben Mandate im Berner Nationalrat / Gewinne der Grünen geringer als erwartet / Regierungszusammensetzung bleibt unverändert / Extrem niedrige Wahlbeteiligung

Aus Basel Frank Matter

Die Schweizer Wähler und Wählerinnen haben am vergangenen Wochenende alle Wahlprognosen Lügen gestraft. Angesagt waren große Gewinne der Grünen und massive Verluste für den Bürgerblock. Als Verlierer ist jedoch die Sozialdemokratische Partei (SPS) aus den Wahlen hervorgegangen. Vorläufigen Ergebnissen zufolge hat sie sieben von 47 Nationalratssitzen verloren. Die grünen Gruppierungen gewannen zwar Mandate, aber nicht im erwarteten Ausmaß. Die gemä ßigten, in der Grünen Partei zusammengeschlossenen Öko– Gruppen haben sich im 200köpfigen Nationalrat (der in etwa dem Bundestag entspricht) um sechs auf zehn Sitze vergrößert. Das links–grüne Bündnis aus Grün–Alternativen, Kommunisten, Progressiven und Autonomen Sozialisten legt wahrscheinlich um zwei oder drei Mandate zu und wird zukünftig mit sechs oder sieben Abgeordneten im Berner Parlament Politik machen. Praktisch unbeschadet haben die bürgerlichen Parteien, zu denen die Sozialdemokratie hier nicht gezählt wird, den Urnengang überstanden. Mit 126 Stimmen kontrollieren Christdemokraten, Freisinnige, Liberale und die rechtskonservativen Volksparteiler, die als einzige bürgerliche Partei Sitze hinzugewannen, den Rat weiterhin unangefochten. Insgesamt sind im neuen Nationalrat nun 14 Parteien vertreten. Neu hinzugekommen ist mit einem Mandat die Autopartei. Noch nicht ganz klar ist die Zusammensetzung des Ständerates, der zweiten Kammer, die die Kantone vertritt. Doch auch hier zeichnen sich große Verluste für die SPS ab. Daß die Schweizer Sozialdemokratie an Boden verliert, ist nicht neu. Nach diesem Wochenende ist sie aber an einem „historischen Tiefpunkt“ angelangt, wie es Urs Altermatt, Professor in Fribourg, in einer Wahlanalyse am Schweizer Fernsehen nannte. Der sichtbar erschütterte Präsident der SPS, Helmut Hubacher, sagte am Sonntag abend, Verluste in diesem Ausmaß seien für ihn „unerklärbar“. Trotz der Verluste wollen die Bürgerlichen die SPS weiterhin als Regierungspartner akzeptieren, wie sie gleich nach der Wahl verlauten ließen. Wenn das Parlament den Bundesrat (Regierungskabinett) wählt, wird also alles beim alten bleiben: Zwei Sozialdemokraten, zwei Freisinnige, zwei Christdemokraten und ein Volksparteiler werden die sieben Ministerien unter sich aufteilen. Die Rechtsaußen von der Nationalen Aktion (NA), denen das Bundesgericht vor kurzem bescheinigt hat, sie seien „nazihaft“, mußten Stimmeinbußen einstecken. Daß die reaktionäre Autopartei in Zürich einen Sitz erungen hat, erstaunt nicht, denn die durch die Kommunalbehörden propagierte Einschränkung des Privatverkehrs hat in der größten Schweizer Stadt heftige Diskussionen ausgelöst. Durch lokale Besonderheiten aufgefallen sind auch die beiden Basler Halbkantone. In Baselstadt eroberten Linksliberale, Sozialdemokraten, Kommunisten und Grüne die absolute Mehrheit der Stimmen, in der Schweiz ein Unikum. Die Wahlbeteiligung hat an diesem Wochenende erneut abgenommen. Nur noch etwa 46 Prozent der Schweizer Wahlberechtigten, in einzelnen Kantonen gar nur 22 Prozent, sind an die Urnen gegangen.