„Rote Bastion“ widerstand Sturmlauf

■ Spannende OB–Wahl in Nürnberg - Dem SPD–Kandidaten fehlten nur 391 Stimmen zur absoluten Mehrheit / CSU–Kandidat beklagt „ungünstige Turbulenzen“ / Stichwahl am 8.11. / Grüne enttäuschten mit 3,2 Prozent

Aus Nürnberg Bernd Siegler

Jubel, Trubel, Heiterkeit bei der SPD, Tränen und Trauer bei der CSU. Der Sturm auf die „rote Bastion Nürnberg“ ist im ersten Wahlgang vorerst gescheitert. Nur 391 Stimmen fehlten dem SPD–Kandidaten Dr. Peter Schönlein zur absoluten Mehrheit bei den Oberbürgermeisterwahlen in Bayerns zweitgrößter Stadt. Sein Kontrahent, der Vorsitzende des Sicherheitsausschusses im Bayerischen Landtag, Dr. Günther Beckstein, der angetreten war, die „historische Wende“ in Nürnberg herbeizuführen, landete abgeschlagen mit einem Rückstand von 15.000 Stimmen bei 43,2 Prozent. Nur 3,2 Prozent der UrnengängerInnen wählten die grüne Kandidatin Sophie Rieger. Mehr als ein Drittel der Wahl berechtigten war die Zukunft der Stadt - um nichts Geringeres ging es am Sonntag nach Aussagen beider Kandidaten - egal. Sie blieben zu Hause und sind nun begehrte Objekte der Mobilisierung zur am 8. November anstehenden Stichwahl. In dem mehr als dreijährigen Wahlkampf hatte die CSU immer wieder betont, welch hohen Stellenwert die OB–Wahl habe. Die Stadt gilt als letzte rote bzw. rot– grüne Hochburg im Freistaat. Man wollte mit einem Sieg die Weichen für die 1990 anstehenden Kommunalwahlen stellen. Daraus wurde nichts. Als in den ersten Hochrechungen Schönlein mit 52 Prozent vorne lag, kämpfte Beckstein kämpfte mit den Tränen. Erst als mit der Auszählung weiterer Stimmbezirke die Möglichkeit einer Stichwahl näher rückte, ge wannen die Durchhalteparolen für Beckstein an Lautstärke. „Ungünstige bundespolitische Turbulenzen“ machte dieser nun für sein Desaster verantwortlich. Er meinte die Barschel–Affaire und die Steuerreform. Trotzig verkündete er: „Wenn wir entsprechend blasen, werden wir das Blatt schon wenden.“ Das läßt für die drei Wochen bis zur Stichwahl einiges erwarten, hatte die CSU doch bisher schon - nach eigenen Angaben - eine halbe Million DM in die Imagepflege eines „liberalen, den Konsens suchenden“ Becksteins gepumpt. Gegen Ende des Wahlkampfes häuften sich die Schläge unter der Gürtellinie, insbesondere bei den Angriffen auf die Nürnberger Kulturpolitik. Auch die SPD wird einiges tun müssen, um den Sieg zu sichern. Schönlein warnte seine Parteifreunde vor dem Gefühl, es sei bereits alles gelaufen. Vorher wurde er auf der SPD–Wahlparty mit minutenlangen Ovationen für die 49,8 Prozent gefeiert. Bei den letzten Bundestagswahlen hatte die SPD in Nürnberg lediglich 36,6 Prozent gewinnen können. Schönlein will bei der Stichwahl ein „bombiges Ergebnis“ anpeilen. Ob ihm die Grünen mit einer Wahlempfehlung helfen, entscheidet die morgige Mitgliederversammlung. Mit ihrer Kandidatur haben sie sich jedenfalls einen Bärendienst erwiesen. Das „Signal für mehr Grün im Rot–Grünen“ ging auf Rot. Sophie Rieger erreichte nur 3,2 Prozent, gegenüber 10,3 Prozent bei den letzten Bundestagswahlen. Republikaner (1,7 Prozent) und FDP (1,2 Prozent) halten sich mit Wahlaufrufen ebenfalls noch zurück.