K O M M E N T A R Iraks Kalkül geht auf

■ Zum US–Angriff auf die iranischen Ölplattformen

Mit der Bombardierung der iranischen Ölplattformen Sassan als Reaktion auf den Beschuß des Tankers „Sea Isle City“ durch den Iran haben die US–Streitkräfte erstmals militärisch auf Seiten des Irak in den Golfkrieg interventiert. Der Angriff reiht sich in die Ende August begonnene Bombenserie des Irak gegen gegnerische Schiffe und Ölinstallationen ein, die die gefährliche Eskalation der letzten Tage überhaupt erst ausgelöst hatte. Denn seit Beginn des US–Aufmarsches ist es letztlich der Irak, der bestimmt, wie hoch die Wogen im Persisch–Arabischen Golf schlagen. Denn erst im Falle irakischer Luftangriffe auf gegnerische Tanker mußte mit iranischen Vergeltungsschlägen im Golf und somit der Möglichkeit einer iranisch–amerikanischen Konfrontation gerechnet werden. Flugs wurden die USA in Bagdad vorstellig und sorgten dafür, daß der Irak eine Fortsetzung des „Tankerkrieges“ unterließ. In dieser ersten Phase des US–Aufmarsches gab es für den Iran keinen Grund, die USA herauszufordern, da die Machthaber in Teheran die Pause im „Tankerkrieg“ trefflich für die Erhöhung ihrer Ölexporte nutzen konnten. Dies war den Machthabern in Bagdad, die ihr „schwarzes Gold“ über Pipelines ausführen, ein Dorn im Auge, denn sie sehen in den iranischen Öleinnahmen eine wichtige Stütze zur Fortsetzung des Krieges durch das Khomeini–Regime. Vor dem Hintergrund der immer wieder verzögerten iranischen Antwort auf die UNO–Waffenstillstandsresolution wollten sich die Militärs in Bagdad nicht länger die Hände binden lassen und leiteten am 29. August eine Angriffsserie gegen iranische Tanker und Ölinstallationen ein. Die Antwort aus Teheran auf die verheerenden irakischen Bombardements ließ nicht auf sich warten. Mit dem Angriff auf die US–umgeflaggte „Sea Isle City“ hat Iran die Stufe der Eskalation bis knapp unterhalb der von Washington festgelegten „roten Linie“ getrieben. Die USA haben seinerzeit drei Kriterien für einen militärische Aktion gegen den Iran genannt: Ein Angriff auf ein Schiff, das unter dem Sternenbanner in internationalen Gewässern fährt und von amerikanischen Kriegsschiffen geschützt wird. Von diesen Bedingungen trifft im vorliegenden Fall nur die der US–Beflaggung zu. Dies hätte den US– Strategen auch die Möglichkeit einer nicht–militärischen Reaktion ohne allzugroßen Gesichtsverlust gelassen. Doch zuhause wie in der Region wäre dies als Rückzieher gegenüber Iran empfunden worden. Nach dem Irangate–Fiasko kann sich die Reagan– Administration einen erneuten Gesichtsverlust in der arabischen Welt nicht leisten; damit wäre zudem der gesamte Sinn des Militäraufmarsches in Frage gestellt worden. Der Mechanismus, der der Eskalationsspirale am Persisch–Arabischen Golf in den letzten Monaten zugrunde liegt, verweist zugleich darauf, wie einseitig die Politik nicht nur der Reagan–Administration im Falle der Forderung eines Waffenembargos gegen den Iran ist. Sicher ist es kein Zufall, daß just gestern im Kongreß ein Bericht vorgelegt wurde, demzufolge eine Niederlage des Irak mit „katastrophalen Folgen für die westlichen Interessen“ „immer wahrscheinlicher“ wird. Nicht um Frieden geht es, sondern um die Wahrung eben jener Interessen. Gerade vor dem Hintergrund des irakischen Eskalationskurses, der das Eingreifen der USA bewußt heraufbeschworen hat, kann die Forderung daher nur lauten: Waffenembargo gegen beide kriegführenden Staaten, gegen die Machthaber in Teheran wie in Bagdad. Beate Seel