Vernichtende Gutachten für „Konrad“

■ Grüne veröffentlichen Gutachten zum Atommüll–Endlager Schacht Konrad / Vernichtende Experten–Kritik / Gutachten wurde bislang von der Stadt Salzgitter zurückgehalten / Grüne fordern Offenlegung aller Daten

Aus Bonn Charlotte Wiedemann

Die Planungen der Physikalisch– Technischen Bundesanstalt (PTB) für das Atommüll–Endlager Schacht Konrad sind unseriös, unvollständig und wissenschaftlich nicht nachvollziehbar. Zu diesem Schluß kommen Gutachten, die von der Stadt Salzgitter in Auftrag gegeben, aber bisher der Öffentlichkeit vorenthalten wurden. Um die teilweise vernichtende Experten–Kritik publik zu machen, wurden die Gutachten gestern durch die Grünen und das Umweltschutzforum Salzgitter an die Bonner Presse gegeben. Das atomfreundliche Batelle– Institut, die atomkritische „Gruppe Ökologie“/Hannover und das ideologisch unverdächtige Ingenieur–Büro Pieles & Gro nemeier/Kiel sollten gutachterlich zu den Antragsunterlagen Stellung nehmen, die die Physikalisch–Technische Bundesanstalt beim niedersächsischen Umweltministerium für Errichtung und Betrieb des Endlagers eingereicht hat. Selbst das atomfreundliche Batelle–Institut, das insgesamt die Schwachstellen bei der Endlager– Planung für behebbar hält, kommt zu dem Schluß, daß von seiten der PTB „lediglich die Absicht formuliert wurde, nach dem Stand von Wissenschaft und Technik zu arbeiten, ohne daß angegeben wurde, wie dieses Ziel erreicht werden soll“. Gravierend ist die Kritik des neutralen Kieler Ingenieur–Büros: Die PTB habe bisher nicht den Nachweis erbracht, daß die „Ausbreitungen der Radionuklide bis in die Biosphäre“ dau erhaft verhindert werden könne. Die Langzeit–Sicherheitsanalyse für das Endlager, das 600.000 Kubikmeter strahlenden Müll aufnehmen soll, basiere auf Daten, die „zum Teil ungenügend erhoben, belegt und nicht zutreffend interpretiert wurden“. Die geologische Beschreibung des Standorts sei nicht nachvollziehbar, die hydrogeologische Analyse vernachlässige mögliche wasserführende Klüfte. Kurz: „Die Antragsunterlagen sind generell unzulänglich.“ Daß die SPD–geführte Stadt Salzgitter zwar Gutachten in Auftrag gibt, diese aber unter Verschluß hält, beruht nach Ansicht des örtlichen Umweltschutzforum darauf, daß die Stadt den Preis für die Zustimmung zum Endlager möglichst hoch treiben will: Angesichts des Arbeitsplatzschwunds durch die Stahlkrise hoffe die Stadt auf Investitions– Gegenleistungen aus Bonn. Mit der gutachterlichen Ohrfeige für die PTB ist für die Grünen, so Lilo Wollny, „nach Gorleben zum zweiten Mal in diesem Jahr die Hoffnung der Regierung auf ein gesichertes Endlager wie eine Seifenblase geplatzt“. Der Betrieb aller Atomanlagen, die ihren Entsorgungsnachweis über Schacht Konrad legitimiert haben, sei damit illegal und müsse sofort gestoppt werden. Schacht Konrad ist als Endlager für allen nicht–wärmeentwickelnden Atommüll vorgesehen; das sind 95 Prozent des strahlenden Schrotts. Die Grünen wie die örtlichen Atomgegner fordern angesichts der Gutachten die Offenlegung sämtlichen Datenmaterials der PTB und ihren Rücktritt als Antragstellerin für das Endlager. Von der Bundesregierung forderte die Abgeordnete Lilo Wollny, endlich den schon 1986 zugesagten Entsorgungsbericht vorzulegen.