Giftschiff zappelt im Fischernetz

■ Dänische Fischkutter und Greenpeace stoppen gemeinsam Müllverbrennung vor der Nordseeküste

taz: Wie kamt ihr dazu, die „Vulcanus“ einzukreisen? Zindler: Gleich nach dem Besuch auf der „Vesta“ hörten wir, daß die „Vulcanus“ im nördlichen Bereich des Verbrennungsgebietes eingelaufen war. Sie hatte also eine Kette von Fischereibooten umkurvt, um ihnen nicht zu begegnen. Daraufhin haben wir unseren Platz verlassen und sind mit den Fischern zur „Vulcanus“. Als wir dort ankamen - es ist eine Strecke von etwa 55 Kilometern - versuchten die Fischer, mit der „Vulcanus“ Kontakt aufzunehmen. Wie das? Über den Funkkanal 16. Da ist der internationale Anrufkanal, auf dem man sich auf See verständigt und auf dem ein Schiff auch antworten muß, wenn es angefunkt wird. Die „Vulcanus“ hat jedoch nicht geantwortet. Die Fischer haben sie darüber informiert, daß sie in dieser Gegend weiter auf Fang gehen wollten, doch die „Vulcanus“ hat jede Art von Kommunikation abgelehnt. Sie haben lediglich ihre Feuerkanonen an Deck klargemacht und auch zur Probe gespritzt. Gegen halb zehn abends haben wir - etwa vier Meilen von der „Vulcanus“ entfernt - festgestellt, daß der Feuerschein aus dem Ofen der „Vulcanus“ verlöschte. Über Funk hörten wir dann, das Schiff sei in ein Trawlernetz geraten. Wir sind dann sofort mit voller Fahrt auf die „Vulcanus“ zu und sahen, wie deren Besatzung versuchte, die Schiffsschraube von dem Netz zu befreien. Das ist ihnen nicht gelungen und sie haben Zeichen gesetzt, daß sie manövrierunfähig sind. Ein Schlepper wurde geordert, aber der ist bislang noch nicht angekommen. Knallten bei den Fischern dann die Sektkorken? Nachdem der Unfall mit den Netzen passierte und die Öfen aus waren, hat das jeden gefreut. Die Fischer waren vorher teilweise in der Rauchfahne und klagten danach über Übelkeit. Einige fühlten sich richtig krank und fragten, ob wir einen Arzt an Bord hatten. Der Scheiß, der da rauskommt, ist hochgiftig; und wir hatten denen eigentlich geraten, nicht in die Nähe der Rauchfahne zu kommen. Dennoch sind sie froh. Das Schiff ist noch voll und hat vielleicht nicht einmal ein Zehntel seiner Ladung verbrennen können. Wenn es jetzt in den nächsten Hafen - wahrscheinlich Rotterdam - geschleppt wird, ist das schon ein großer Erfolg. Mit wieviel Schiffen belagert Ihr momentan die „Vulcanus“? Sonntag abend waren es noch 34, aber über Nacht haben einige Schiffe diese Gegend verlassen, weil sie Fisch an Bord hatten. Der mußte natürlich schnell an Land, um nicht zu verderben. Jetzt sind wir mit etwa 20 Schiffen hier. Woher kommen die? Fast alle aus Dänemark, jetzt ist aber auch schon ein britisches Schiff dabei. Auch Holländer haben sich angekündigt. Verbinden die Fischer dort auf See Arbeit und Protestaktion? Das haben sie gemacht. Abends und in der Nacht ist ja sonst nicht viel los, und da haben sie in der Nähe von der „Vulcanus“ eben gefischt. Viel haben sie allerdings nicht gefangen, vielleicht machen sie heute weiter. Ist bekannt, welche Chemika lien auf der „Vulcanus“ verbrannt werden? Nein. Wir wissen aber, daß es sich um hochchlorierte Kohlenwasserstoffe handelt. Die kommen aus Frankreich und Spanien, ein kleiner Teil auch aus Holland. Eine genaue Analyse der Abfälle gibt es nicht. Was brachte denn die Fischer gerade jetzt auf die Palme? Die Dänen etwa sind besonders erbost, weil jetzt auch noch Abfall aus Spanien in die Nordsee gefahren und hier verbrannt wird. Das hat das Faß wohl zum Überlaufen gebracht. Da haben die sich spontan entschlossen, rauszufahren und zu protestieren. Und da wir mit der „Vulcanus“ schon so einige Auseinandersetzungen hatten, haben sie sich an uns gewandt. Ihr wart Sonntag auf dem anderen Verbrennungsschiff, der „Vesta“. Wir sind der „Vesta“ begegnet und mit einer Delegation auf das Schiff gegangen. Da haben die Fischer der Besatzung dann ihren Unmut klargemacht. Die „Vesta“ ist ein kleines Schiff, das unter deutscher Flagge fährt - sie hat ungefähr 1.300 Tonnen Abfall an Bord. Die wollen noch bis Montag abend ihren Müll verbrennen. Wie seid Ihr denn auf die „Vesta“ gekommen? Habt Ihr sie im Sterix–Stil geentert? Nein, da gab es keine Probleme. Der Kapitän war bereit, mit uns zu sprechen. Der ist zwar von seiner Arbeit überzeugt, doch wir konnten ihm einiges sagen, bei dem er dann einräumte: O.K., wenn das stimmt, muß ich mal überdenken, was ich hier mache. Aber selbst bei simplen Fragen wie der, warum ein ach so sicherer Ofen nicht auch an Land arbeiten könnte, sondern auf hohe See müßte, blieb auch er, der den Job schon einige Jahre macht, eine Antwort schuldig. Warum wird denn auf See verbrannt? Die Verbrennung auf See ist kostengünstiger, und darum findet sie hier statt. An Land gibt es Rauchgaswäsche und anderes, was hier eben fehlt. Wie geht es auf See weiter? Die Fischer und auch wir bleiben erstmal standby und warten auf den Schlepper. Es wäre unmöglich, so ein Schiff, das in sich schon eine Gefahr birgt, hier schwimmen zu lassen. Das Ding muß weg. Es ist eine Gefahr für die Nordsee, eine Gefahr für alle. Wenn die Firma das nicht selber macht, dann müssen die Staaten eingreifen und abschleppen. Wir warten und laufen eine Weile mit - auf das es nicht vom Weg abkommt! Befürchtet Ihr strafrechtliche Folgen? Mein Gott! Es sind schon so viele Unfälle auf See passiert. die „Vulcanus“ muß halt aufpassen, wo sie hinfährt. Interview: Axel Kintzinger