Neue Vorwürfe gegen Barschel

■ Finanzminister erweitert Vorwürfe gegen Uwe Barschel / Kabinettsdiskussion über Barschels Steuerschnüffelei / Flucht nach vorn wegen heftiger Kritik / Heute tagt der Untersuchungsausschuß

Aus Kiel Petra Bornhöft

Unter dem Eindruck starker Kritik aus den Reihen der eigenen Parteien hat Finanzminister Roger Asmussen (CDU) gestern seine Vorwürfe gegen den früheren Ministerpräsidenten Uwe Barschel erweitert. So soll Barschel nicht nur von der anonymen Steueranzeige gegen Oppositionsführer Björn Engholm (SPD) gewußt haben, sondern auch drei Tage vor seiner berühmten „Ehrenwort– Pressekonferenz“ am 18. September eine Diskussion über die Schnüffelaktion im Kabinett verhindert haben. Roger Asmussen war derjenige aus dem Kieler Regierungslager, dessen Aussage vor dem Untersuchungsausschuß am 7. Oktober Barschels eidesstattliche Versi cherungen ins Reich der Lügen verwies. Denn Roger Asmussen berichtete, daß sein Staatssekretär Dr. Schleifer ihn bereits im Februar darüber informiert hatte, daß Barschel sich damals nach der (von Pfeiffer aufgegebenen) anonymen Anzeige erkundigt habe. (Ach, wie nett, d.S.) Asmussen war in den letzten Tagen heftiger Kritik aus denReihen der CDU ausgesetzt. Das mehrwöchige Schweigen des Finanzministers stieß auf Unmut. Er habe, so hieß es inner– und außerhalb des Kieler Landeshauses, „Barschel ins offene Messer laufen lassen“. Asmussen rechtfertigte die Flucht nach vorn gestern damit, daß seine Familie und er in den letzten Tagen beschimpft und bedroht worden seien. Mit Rücksicht auf den Tod Barschels habe er sich nicht früher geäußert, doch jetzt sei der Zeitpunkt gekommen, die Wahrheit zu sagen. Demnach sei Staatssekretär Dr. Schleifer nach einer „gründlichen Analyse“ von Barschels eidesstattlicher Erklärung der „Inhalt des Telefongespräches“ zwischen ihm und Barschel eingefallen. Im Gespräch zwischen Minister und Staatssekretär wurde den beiden dann „klar: das Problem hatte eine über unser persönliches Verhältnis zu Dr. Barschel weit hinausreichende Dimension“. Der Vorschlag Asmussens, mit dem Ex– Ministerpräsidenten nach dessen Rücktritt im Kreis der CDU–Fraktions– und Landesführung zu sprechen, „ließ sich in diesen Tagen nicht realisieren“, so die Stellungnahme. Zu deutsch: Barschel wollte nicht reden. Nach Absprache mit dem geschäftsführenden Ministerpräsidenten Schwarz und unter dem Eindruck der rechtlichen Belehrung im Untersuchungsausschuß packte der Finanzminister aus. Heute wird der parlamentarische Untersuchungsausschuß (PUA) erneut das Thema „anonyme Anzeige“ behandeln. Lübeck (ap) - Die Lübecker Staatsanwaltschaft hält eine weitere Obduktion des Leichnams von Uwe Barschel in der Bundesrepublik nicht für erforderlich. „Mit größter Wahrscheinlichkeit“ werde die Behörde eine entsprechende Untersuchung nicht veranlassen, weil sie „gar keinen Anlaß“ habe, die Ergebnisse der Genfer Gerichtsmediziner in Zweifel zu ziehen, sagte Oberstaatsanwalt Joachim Böttcher am Dienstag. Das endgültige Ergebnis liege der Ermittlungsbehörde noch nicht vor.