Der Iran rächt sich an Kuwait für US–Angriff

■ Kuwaitisches Ölterminal von iranischer Silkworm–Rakete getroffen / Washington und Teheran sind jedoch bestrebt, den Konflikt nicht weiter eskalieren zu lassen / Saudi–Arabien bietet Kuwait notfalls militärische Unterstützung an

Manama/Berlin (afp/taz) - „Aug um Auge, Zahn um Zahn“ heißt es derzeit im persisch–arabischen Golf. Dabei achten beide Seiten, die USA und der Iran, peinlichst genau darauf, daß die Paritäten gewahrt bleiben und nicht etwa ein Zahn mit zweien des Gegners vergolten wird. Die iranische Rakete vom Typ Seidenraupe, die am Donnerstag morgen ein dem kuwaitischen Ölverladehafen Mina al Ahmadi vorgelagertes Terminal traf, richtete sich deshalb auch nur gegen ein wirtschaftliches Ziel. Damit sollte allem Anschein nach der Angriff der amerikanischen Kriegsmarine auf zwei iranische Ölplattformen vom Montag „vergolten“ werden. Über Opfer des jüngsten Racheakts wurde zunächst nichts bekannt. Das Feuer, das auf dem Terminal ausbrach, konnte nach einigen Stunden gelöscht werden. Nach Angaben des kuwaitischen Verteidigungsministers wurde die iranische Rakete chinesischer Bauart von der irakischen Halbinsel Fao aus abgeschossen, die seit Februar 1986 vom Iran besetzt ist - ein mögliches Angriffsziel der US–Streitkräfte, sollten sich die Konfliktparteien auf die nächst höhere Stufe einschießen. Bereits am Mittwoch war von einer großen Explosion im Küstengrenzbereich zwischen Ku wait und Saudi–Arabien die Rede gewesen. Näheres über die Ursachen der Explosion wurde jedoch bisher nicht bekannt. Unmittelbar nach dem Vorfall trat das kuwaitische Kabinett zu seiner dritten Dringlichkeitssitzung in weniger als einer Woche zusammen. Dabei wurden Schutzmaßnahmen gegen mögliche iranische Angriffe erörtert. Inzwischen hat Saudi–Arabien Kuwait notfalls militärischen Beistand zugesichert. Neben dem augenfälligen Sinn für Proportionen sind sich die Reagan–Administration und die Führung in Teheran in einem weiteren Punkt einig: Sie wollen möglichst vermeiden, daß die Konfrontation weiter eskaliert. US–Verteidigungsminister Weinberger beeilte sich nach dem Angriff auf die iranischen Wirtschaftseinrichtungen zu versichern, daß die Angelegenheit - Iran hatte zuvor ein US–beflaggtes Schiff beschossen - damit erledigt sei. Und Iran reagierte nicht etwa mit einem Gegenschlag auf ein US–Ziel, sondern blieb seiner Tradition der „Vergeltung“ gegen Kuwait treu, das den Irak im Golfkrieg unterstützt und elf seiner Schiffe unter US– Flagge fahren läßt. Es gibt jedoch auch Khomeini– Freunde, die sich nicht an die Regeln des „Aug um Auge, Zahn um Zahn“ halten möchten. Die libanesische Schiitenorganisation „Islamischer Heiliger Krieg“ veröffentlichte in Beirut ein Kommunique, in dem sie den USA und den im Golf mit Kriegsschiffen präsenten Verbündeten drohten. Die Organisation, die mehrere Bürger westlicher Staaten entführt hat, legte ihrer Botschaft zwei Fotos von Geiseln bei, deren Namen nicht bekannt gegeben wurden. Auch die US–Administration weiß, daß möglicherweise nicht alle Kräfte in der Region sich an das Paritätsprinzip halten werden. Sie hat alle US–Bürger vor Reisen in den Iran gewarnt und das Personal ihrer Botschaft in Alarmbereitschaft versetzt. bs