„Wir sind doch nicht die Büttel der Stadt“

■ In Köln betreiben Verwaltung, Presse und Polizei Hetze gegen 1.000 Roma / Der Kölner Polizeipräsident beteuert auf einer Podiumsdiskussion, er wolle keine Amtshilfe bei der Vertreibung von Roma–Familien leisten / Roma sehen Nazi–Tradition fortgesetzt

Aus Köln Albrecht Kieser

„Wir sind doch nicht der Büttel für Aufgaben, die im Bereich der Stadt liegen!“ Die Schärfe, mit der sich der Kölner Polizeipräsident Hosse wehrt, seine Truppen für die Vertreibung von Roma–Familien aus Köln einnehmen zu lassen, ist deutlich. Absicht der Stadt war es, mit Polizeieinsätzen auf dem Lagerplatz von Roma im Kölner Norden einen Verdrängungseffekt zu entfalten und die drangsalierten Familien zum „freiwilligen“ Weiterreisen zu bewegen. Ein entsprechendes Ersuchen um Amtshilfe lehnte der Polizeipräsident in der letzten Woche endgültig ab. Die Stadt, die sich mit derart rabiaten Methoden der Roma entledigen will, mochte öffentlich zu ihrer Politik nicht Stellung beziehen. Eine Einladung der Volkshochschule zur Podiumsdiskussion am Mittwoch hatte sie abgelehnt. Auch die Eingeladenen vom Kölner Stadtanzeiger“ und der Kölner Rundschau hatten bei „Polizei/Journalismus und das Volk der Roma. Ein gespanntes Verhältnis“ gekniffen. Die 400 versammelten HörerInnen vernahmen die Begründung mit Erstaunen: in einem emotional aufgeheizten Klima sei nicht sachlich zu diskutieren. Dabei ging es gerade um die Zeitungsmacher. Monatelang hatten ganzseitige Artikel das Bild von der Bedrohung Kölns durch „diebische Landfahrerkinder“ und „kriminelle Hintermänner“ gemalt. In einer konzertierten Aktion zwischen Polizei, Staatsanwaltschaft und dem Kölner Sozial– und Jugenddezernenten wurden schließlich minderjährige Kinder in geschlossene Heime gebracht, die Eltern über den Verbleib ihrer Kinder getäuscht und im Unklaren gelassen. Als nach mehreren Tagen die Kinder freigelassen wurden, zogen viele der betroffenen Familien - wie beabsichtigt - aus Köln fort. Der öffentliche Protest aus Kirchen und der Fachhochschule für Sozialarbeit und die Aktivitäten der Roma–Initiative sorgten schließlich dafür, daß die unheilige Allianz von Presse, Polizei und Verwaltung zu bröckeln begann. Deutlichste Zeichen: die harsche Kritik von Polizeipräsident Hosse. Weitere Anzeichen: die Verwaltung erklärte sich bereit, für zwei Roma–Familien eine Duldung auszusprechen und sie möglicherweise in ein Bleiberecht umzuwandeln. Für die Familien wurden Patenschaften übernommen. Doch ein gesamtstädtisches Konzept fehlt bis heute, und die Roma–Initiative mutmaßt deshalb, daß die Stadt gegenüber den restlichen Romafamilien nach dem altbekannten Strickmuster verfährt: Vertreiben durch Verunsichern, Drangsalieren, Schikanieren. Bis heute jedenfalls warten die etwa 1.000 Kölner Roma darauf, daß die Stadt menschenwürdige Unterkünfte bzw. Stellplätze zur Verfügung stellt. Eine Unterkunft ist mit bis zu zehn Menschen pro Raum belegt, auf dem wichtigsten Stellplatz tanzen die Ratten im Schlamm. Romani Rose, der Vorsitzende des Zentralrats der Roma und Sinti, konstatierte die bruchlose Fortführung faschistischer Einordnung von Roma und Sinti als Diebe und Kriminelle bis in die heutige Zeit: die Hinzufügung der Volkszugehörigkeit bei Tatverdächtigen schüre die alten Vorur teile. Wenn heute mit Recht darauf verzichtet werde, eventuelle Kriminelle mit jüdischer Glaubenszugehörigkeit als „jüdische Kriminelle“ zu kennzeichnen, so sei derselbe Verzicht auf die ethnische Kennzeichung im Falle von Roma und Sinti mehr als überfällig. Auch die Kölner Polizei habe sich an diesen Grundsatz nicht gehalten, wurde Polizeipräsident Hosse auf der Veranstaltung vorgehalten. Hier sei selbstkritisches Nachdenken über die eigene Beteiligung an der Kölner Anti–Roma–Kampagne nötig. Dem Leiter der Sonderkommission bei der Kölner Polizei wurde vorgeworfen, er habe durch die penetrante Kennzeichnung von aufgegriffenen Kindern als „Landfahrer“– Kinder ein rassistisches Vorurteil geschürt. Zudem seien die Meldungen über „kriminelle Hintermänner“, über „gestohlene und zum Stehlen gezwungene Kinder“ sämtlich aus dieser Sonderkommission in die Öffentlichkeit gelangt. Daß die Staatsanwaltschaft schon vor Wochen in keinem Fall mehr wegen derartiger Delikte ermittelt (Kindesraub, Entführung, Nötigung), sei von der Polizei klammheimlich übergangen worden. Das Strickmuster von der internationalen Zigeunerbande sei ohne einen Schimmer von Beweisen auch seitens der Kölner Polizei über die Wirklichkeit geworfen worden. Die Teilnehmer der Veranstaltung forderten mit ihrer Unterschrift die Stadt Köln auf, den Roma–Familien Bleiberecht zu gewähren, von ihrer Vertreibungspolitik Abstand zu nehmen und über den Städtetag für ein Gesamtkonzept einzutreten, das den Forderungen der Roma nach menschenwürdiger Existenz endlich gerecht werden könnte.