Wer krank wird, soll auch zahlen

■ Arbeitgebervorschläge zur Strukturreform der Krankenversicherung / Plädoyer für Kostenerstattung statt Sachleistungen / Höhere Selbstbeteiligung / Sozial indizierte Abtreibungen sollen nicht mehr bezahlt werden

Aus Bonn Oliver Tolmein

„Eckpunkte zur Strukturreform der gesetzlichen Krankenversicherung“ stellte der Präsident der Arbeitgeberverbände Klaus Murmann gestern in Bonn vor. Er betonte, daß die Arbeitgeber keinen Wunschkatalog erarbeitet hätten, sondern Vorschläge, die „politisch notwendig und machbar sind“. Es gehe dabei, so Murmann weiter, nicht um die unzureichen gleichbleibenden Belastungen durch die Arbeitslosenversicherung, im Griff halten. Murmann behauptete zwar, daß die Formvorschläge der Arbeitgeber „Opfer für alle“ bedeuteten, konkret ergeben sich aber vor allem höhere Belastungen für Versicherte, die krank werden. Zuerst einmal sollen weitgehen– de „Selbstbeteiligungsregelungen“ eingeführt werden. Obergrenze für diese Beteiligung Erkrankter an den Kosten, die zusätzlich zu den Beiträgen gezahlt werden, müssen 500 DM jährlich sein. Mittelfristig soll es einen Übergang vom Sachleistungs– zum Kostenerstattungsprinzip geben: d.h. Versicherte sollen die Behandlungsgebühren erstmal selbst bezahlen und dann rückerstattet bekommen. Davon erhofft sich Murmann verstärktes „Kostenbewußtsein“. Der Ausschluß weiterer Arzneimittel aus dem Leistungsangebot der Krankenkassen, die Abschaffung der Re zeptgebühr zu Gunsten einer zwanzigprozentigen Beteiligung der Patienten an den Arzneimittelkosten dienen ebenfalls der „Ausgewogenheit von Solidarität und Subsidiarität“. Einschneidende Sparmaßnahmen werden auch für den Krankenhaussektor vorgeschlagen: die Versicherten sollen „in Höhe der häuslichen Ersparnis“ die Pflegekosten bezahlen. Richtwert sei derzeit 9,40 Mark pro Tag. Außerdem müßten die Krankenhäuser gezwungen werden, die Verweildauer ihrer Patienten abzukürzen. Das könne durch die Befristung von Kostenübernahmen unter „Orientierung an Standard– Verweildauern nach Diagnosegruppen“ geschehen. Als weitere Reform schlug Murmann vor: Abschaffung des Sterbegeldes, Reduzierung von „Serienverordnungen“ von Massagen und Krankengymnastik, Ausgliederung von Mutterschaftshilfen, Pflegekosten und beitragsfreier Versicherung während des Erziehungsurlaubs aus dem Katalog der Kassen. Außerdem seien erst am Tag nach Ausstellung der Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung beginnen. Kuren sollen teilweise auf den Urlaub angerechnet werden. Murmann plädierte weiterhin für Preiswettbewerb der Apotheken. Außerdem müssen auch Ärzte Einkommenseinbußen hinnehmen. Die Pharmaindustrie soll ihren Beitrag zu den Sparmaßnahmen durch mehr „Innovations–, Preis– und Qualitätswettbewerb“ leisten - also gar nicht.