Die halbe Wahrheit

■ Zum Besuch einer Grünen–Delegation in Israel

Die israelische Regierung kann mit dem Besuch der Grünen zufrieden sein. Eine solch brave Gruppe hat wohl selten das „Heilige Land“ besichtigt. Die vom israelischen Staatspräsidenten Herzog namentlich eingeladenen Realos um Otto Schily haben ein offizielles Programm heruntergespult, in dem Palästinenser nur als Diskussionsstoff mit israelischen Politikern, nicht aber als Diskussionspartner auftauchten. Eine „fact– finding–tour“ sollte es sein, auf deutsch: Die Grünen waren auf der Suche nach der Wahrheit. Doch von der haben sie eben nur die eine Hälfte gesehen: die der Mächtigen. Die Grünen wollten keine Oberlehrer sein, sondern seien als Studenten gekommen, so Otto Schily mit deutlichem Hinweis auf die letzte Nahost–Tournee der Grünen vor drei Jahren. Damals hatte eine Fundi–Truppe den Israelis die anti–imperialistischen Leviten lesen wollen und bei diesem hehren Ziel kein Fettnäpchen ausgelassen. Als grüne Wiedergutmachung verstanden denn auch die Realos ihren Israel–Besuch. Und so war eine kritische Betrachung Israels ausgeschlossen. Doch eine Einschätzung des Palästinenser–Problems, in der weder die PLO noch die besetzten Gebiete noch eine internationale Konferenz auch nur erwähnt werden, war denn nicht zu erwarten. Die Realos haben SPD und FDP von rechts überholt. Die zweite Reise einer grünen Delegation hatte so einen doppelten Zweck: das Negativbild in der israelischen Öffentlichkeit zu korrigieren und in Bonn den Fundis eins auszuwischen. Nach dem Fundi–Israel nun ein Realo–Israel. Die israelische Realität kommt bei diesen Reisezielen nicht vor. Oberlehrer waren die Grünen glücklicherweise diesmal wahrlich nicht, aber auch als Studenten haben sie ihr Abschlußziel verfehlt. Da sind sich Realos und Fundis endlich mal einig: Was nicht ins Konzept der eigenen Wahrheit paßt, findet nicht statt. Und seien es Besuche bei Palästinensern. Klaus Hillenbrand