Diskreter Charme einer Besatzungsmacht

■ Ein Portrait von Jean–Claude Mansion, dem neuen Söldnertyp der 80er Jahre / Frankreichs Statthalter in Zentralafrika: ein intelligentes Werkzeug der Staatsräson

Aus Bangui Knut Pedersen

Sie Szene spielte sich vor drei Jahren während eines Staatsbesuches des französischen Präsidenten Francois Mitterrand in der zentralafrikanischen Hauptstadt Bangui ab. Beim Frühstück auf der Terrasse des Rock–Hotels, zwischen schweifenden Blicken auf den träge dahintreibenden Zairefluß, tauschen zwei Mitglieder der französischen Delegation Denkwürigkeiten über das Gastland aus. Der eine ist „Afrikaexperte“, der andere profan. Am Ende einer langen Tirade über die strategische Bedeutung der Zentralafrikanischen Republik als Drehscheibe französischer Militäroperationen schließt der Eingeweihte mit den Worten: „Sehen Sie, und darum haben wir hier einen starken Mann gebraucht.“ - „Den Präsidenten Kolingba?“, fragt der Unbeleckte. - „Ach was, ich rede von Mansion.“ In Bangui redet alle Welt von Oberst Jean–Claude Mansion, auch wenn ihn kaum einer kennt. Nicht daß er besonders publikumsscheu wäre, im Gegenteil: Dem „Sicherheitsberater des Präsidenten“ - so sein offizieller Titel - kann man in der zentralafrikanischen Hauptstadt überall begegnen: auf dem Markt, am Flughafen, im Geschäftsviertel, im Justizpalast, wo immer Sicherheit und Ordnung auf dem Spiel stehen. Mansion ist der Sheriff einer Stadt, die den hochgewachsenen, schlacksigen Mittvierziger „Lucky Luke“ nennt - mit einer Mischung aus Respekt und Hohn, welche nur mühsam die Distanz überbrückt. Denn der französische Oberst ist zwar für alle da, aber für niemanden erreichbar. Er schwebt - wie eine ständige Drohung - über einem Gemeinwesen, an das ihn nichts bindet. „Mansion ist ein importierter Bonapartist: Als Weißer verkörpert er hier die von allem sozialen Ballast entfesselte Exekutive.“ Für den marxisierenden Soziologen in der Hotelbar ist der Fall damit erledigt. Jean–Claude Mansion ist ein „Leihstück“ der alten Kolonialmacht. Nachdem Frankreich im September 1979 dem entgleisenden Bokassa–Spektakel ein Ende gesetzt hatte, bedurfte es in Bangui einer neuen Staatsfiktion. Zu diesem Zweck wurde der Bokassa– Vorgänger David Dacko requiriert. Der damalige Chef des französischen Geheimdienstes Alexandre de Marenches hat das in aller Schamlosigkeit in seinem 1986 erschienenen Buch „Le secret des princes“ erzählt: „Wir haben den in Frankreich exilierten David Dacko gefragt: Wollen Sie an einer Operation teilnehmen, die Ihr Land von dem Alkoholiker und Mini–Tyrannen Bokassa befreit und zudem etwas Demokratie ermöglicht? (...) Schließlich sind wir uns einig geworden, und er hat seine Rede vorbereitet. Nun, wir haben ihm bei der Vorbereitung etwas geholfen, denn geistig ist er ziemlich behindert. Wir haben besonders herausgestellt, daß wir Franzosen absolut nichts für uns wollen. Was im übrigen sogar stimmt...“. Jean–Claude Mansion sorgte dafür, daß in Zentralafrika nichts geschieht, was Frankreich nicht will. Dafür wurde er „abgestellt“, ebenso wie rund dreißig „Freiwil lige“ der 11. Französischen Fallschirmdivision. Sie alle tragen zentralafrikanische Uniform und dienen dem dortigen Präsidenten - aber offensichtlich mehr dem Amt denn dem Träger. Als David Dacko vor sechs Jahren von General Andre Kolingba gestürzt wurde, stellte die französische Prätorianergarde dem coup dEtat nichts in den Weg. „Mit dem Land war es rapide bergab gegangen. Ich habe das dem Präsidenten Dacko rechtzeitig gesagt und auch, daß ich nicht auf die Bevölkerung schießen lassen würde, wenn es dazu kommen sollte. Nach seinem geglückten Staatsstreich hat mich General Kolingba gefragt, ob ich bereit wäre, seine Sicherheit mit der gleichen Loyalität fürs Gemeinwohl zu garantieren - das und nichts anderes tue ich seitdem.“ Kein blindes Werkzeug Frankreichs So spricht Bob Denard oder einer jener „war dogs“, die in Afrika das Bild des weißen Söldners geprägt haben: ausgediente Haudegen mit feisten Bäuchen, die als Prätorianergarde auf den Komoren ihr Altenteil verdienen, nachdem sie zuzeiten in Katanga oder im Tschad mitgemischt haben und „pro– kommunistische“ Regime im Benin und anderswo im Handstreich stürzen wollten. Jean–Claude Mansion hat mit ihnen nichts gemein, er ist ein Söldner der Staatsräson. Er weiß, was er in Bangui tut und weiß es auch zu rechtfertigen. Journalistenfreundlich, wenn auch medienfeindlich, gibt er auf alle Fragen Antwort und resümiert sein Selbstverständnis: „Ich bin ein Staatsdiener für öffentliche Sicherheit. Darunter verstehe ich sowohl Recht als auch Ordnung. Als Fremder in dieses Land gekommen, interessiert mich meine Aufgabe nur um ihrer selbst willen. Ich schulde niemandem Rücksicht, habe keine ethnischen Bindungen und keine politischen Ambitionen. Ich bin ein Werkzeug - wenn auch kein blindes.“ Am 3. März 1982, nur sechs Monate nach dem Staatsstreich General Kolingbas, hat der repräsentativste Oppositionspolitiker Ange Patasse versucht, sich seinerseits an die Macht zu putschen. Ein dilettantischer Versuch, der kläglich scheiterte: Mit nur 17 weißen Söldnern der Präsidialgarde gelang Mansion eine klinisch saubere Rückeroberung der nationalen Rundfunkstation. Verkleidet auf einem Fahrrad flüchtete Ange Patasse in die französische Botschaft und ersuchte um Asyl. Ein peinlicher faux–pas, der in Bangui den Eindruck erweckte, Frankreich habe die „Ablösung“ Kolingbas wenn nicht inspiriert, so doch zumindest geduldet. Das Vertrauen war gebrochen, und in einem Klima wechselseitigen Mißtrauens begannen langwierige Verhandlungen über das Schicksal Ange Patasses: Die diplomatischen Vertreter Frankreichs saßen den Beratern Kolingbas gegenüber - allesamt weiße Franzosen. Es war einer jener privilegierten Augenblicke, in denen eine einfache Photographie mehr zum Ausdruck bringt als einsichtige Erläuterungen: Frankreich verhandelte mit Frankreich über die Frage, ob der Putschist Ange Patasse ausgeliefert werden sollte. Frankreich entschied, ihn ins Exil nach Lome zu schicken. Die ehemalige Kolonialmacht ist in der Zentralafrikanischen Republik präsent wie in keinem anderen Land - mit Ausnahme vielleich von Djibouti. Und wie der strategische Stützpunkt am Indischen Ozean, so ist auch Bangui und sein Hinterland in erster Linie von militärischem Interesse. Die Zentralafrikanische Republik ist gewissermaßen der Flugzeugträger der französischen Militärpräsenz im Zentrum des Schwarzen Kontinents. In Bangui und Bourar, der zweitgrößten Stadt des Landes, sind heute etwa 1.200 EFAO–Soldaten stationiert (“Elements Francais dAssistance Operationelle“). Ihre Zahl und Bedeu tung hat abgenommen. Seitdem im benachbarten Tschad die Flugpisten in NDjamena und Abeche vollendet wurden und dort nunmehr alle Flugzeugtypen landen können. Zuvor diente die Zentralafrikanische Republik als „Drehscheibe“ für die zahlreichen Militärinterventionen Frankreichs im Tschad. Jean–Claude Mansion hat mit dem „offiziellen“ Frankreich in Bangui keinen Kontakt. Weder mit den rund 4.000 Beratern, Helfern oder Geschäftsleuten, die hier leben, noch mit der Botschaft - in sieben Jahren ist er dort zweimal gewesen. „Natürlich ruft man mich gelegentlich an, wenn ein Mitglied der französischen Gemeinschaft in Schwierigkeiten ist, oder es sonst Probleme gibt. Ich kümmere mich darum - aber nicht mehr und nicht weniger als um den Rest meiner Arbeit.“ Und Mansion erzählt eine „Anekdote“, die ihn ganz offensichtlich verbittert hat: Kurz nach seiner Ankunft in Bangui haben ihn expatriierte Landsleute zum Diner eingeladen... und kaum 24 Stunden später um eine „kleine Gefälligkeit“ gebeten. „Seitdem habe ich alle Einladungen abgelehnt. Sie finden in Bangui keinen zweiten Franzosen, der behaupten kann, daß ich an seinem Tisch gegessen habe.“ Jean–Claude Mansion ist ein einsamer Mann. „Wie alles, was ihnen fremd ist und Angst macht, haben die Afrikaner ihn mit Namen überhäuft: Einsam, aber männlich „Das reicht vom banalen Boß über Lucky Luke bis zum Bwana von Bangui - dem neuen Herrn“, erklärt ein alteingesessener, libanesischer Händler. Ihm zufolge trifft nur der „Marabout der Macht“ den Nagel auf den Kopf: „Marabout kommt wortgeschichtlich vom Arabischen Morabit, was soviel wie Soldaten–Mönch bedeutet“, erklärt er und fügt mit levantinischer Verschmitztheit hinzu: „Wie alle Mönche und Asketen gestattet sich auch Mansion eine Ausnahme...“ Das ist kein Geheimnis: Seine männlich– menschliche Schwäche sitzt im Vorzimmer vor barbusigen Kalendermädchen und ist in ganz Bangui als „die Chinesin“ bekannt. Madame Turpin, eine kleine, attraktive Eurasierin, verrät im Umgang mit Mansion auf etwas plumpe Weise Vertraulichkeit. „Ich habe nur einen Wunsch: daß wir sobald als möglich die diplomatischen Beziehungen abbrechen.“ Das erklärt ohne Umschweif der libysche Botschafter in Bangui, Abdallah Senoussi. „Für Oberst Mansion sind wir ideale Sündenböcke. Wenn es uns nicht gäbe, hätte er Mühe, die gelegentlichen Unruhen hier zu erklären.“ Die Anspielung zielt unter anderem auf die spontanen, anti–französischen Reaktionen nach dem Absturz eines Jaguar–Flugzeugs, der am 27. März vergangenen Jahres im Vorstadtviertel „Km 5“ fünfunddreißig Todesopfer verursacht hat. Desgleichen steckte hinter dem Schülerstreik im Mai - so die offizielle Lesart - eine mysteriöse „Grüne Jugend“. Aber es bedarf vielleicht nicht unbedingt des langen Arms Oberst Ghaddafis, um zu erklären, warum in Bangui von Zeit zu Zeit Steine auf vorbeifahrende französische Wagen fliegen. Die hier stationierten Soldaten geben jährlich rund 25 Millionen Dollar aus, und in den hungrigen Augen der „Godobes“, der herumlungernden Straßenjungen, ist das mit Stacheldraht umzäunte französische Wohnviertel so etwas wie die Höhle Ali Babas. Einen Kaiser in Gewahrsam „Wenn der dumpfe Zorn und die Frustration in den Vorstädten eines Tages die französischen Statthalter hinwegfegt, wird man den Kopf Mansions auf eine Lanze gespießt drei Tage lang durch die Straßen Banguis tragen.“ Über solche und ähnliche Kommentare, die man ihm hinterbringt, zuckt der fesche Oberst nur die Schultern. Er weiß, daß man ihn nicht liebt, aber solange man ihn fürchtet... „Ich bin einer Terroristenbande auf der Spur, und jemand ist hier in mein Büro gekommen, um mir klipp und klar zu sagen, daß man mich umbringen werde, wenn ich nicht die Finger davon lasse. Worauf ich ihm eine lange Liste gezeigt und erklärt habe, daß meine Männer keinen überleben lassen, wenn mir etwas passiert. Wie Sie sehen, geht es mir gut.“ Das war im Juni. Anfang August entführte ein junger Libanese eine Air–Afrique–Maschine von Bangui nach Genf, bevor er überwältigt werden konnte. Seither wurden ein Dutzend Libanesen aus Zentralafrika ausgewiesen. Sie standen alle auf der Computerliste, die Oberst Mansion mit Akribie auf dem laufenden hält. Nebenbei bemerkt: Es geht ihm weiterhin gut. Wie lange noch? In Bangui ist Macht eine beinahe topographische Größe. Steil windet sich der Weg hinauf ins Militärcamp De Roux, von dessen Höhe man die ganze Stadt übersieht. Um den Hügel gruppieren sich die Unterkünfte der etwa 800 Soldaten der Präsidialgarde, die einzige wirklich einsatzfähige Truppe des Landes. Ganz oben beschreibt ein kleiner Platz mit der Nationalflagge im Mittelpunkt den innersten Kreis der Macht: Oberst Mansion auf der einen Seite, die Prädidalresidenz General Kolingbas auf der anderen. In einem der umliegenden Gebäude wird der Ex– Kaiser Bokassa verwahrt, über sein Schicksal hat die Justiz des Landes noch nicht ihr letztes Wort gesprochen. Solange bleibt er - wie ein ungebetener Verwandter, den man nicht vor die Tür setzen will - unter der persönlichen Obhut Jean Claude Mansions. Und so sind vereint: ein präsidierender General, ein Ex–Kaiser und ein Söldner ... allesamt von Frankreichs Gnaden. Sie sitzen auf dem Kapitol so unbequem wie in der Schenke Zecher auf fremder Kreide. Aber zumindest einer von ihnen, der „abgestellte“ Agent des französischen Geheimdienstes Jean–Claude Mansion weiß, daß zum Kapitol seither auch der Tarpejische Felsen gehört. (Auflösung der Pointe unter dem Stichwort „Tarpeia“ im Großen Meyer: „Tochter des Tarpeins, die den Sabinern unter Titus Tatins eine Pforte des von ihrem Vater verteidigten Kapitols öffnet. Statt sie zu belohnen, läßt Titus Tatins die Verräterin von dem seither von ihr benannten Tarpejischen Felsen stürzen.“ Anm. d. Red.)