I N T E R V I E W „Die größte Studentenbewegung, die es je gab“

■ Die österreichischen Studenten setzen ihren Streik fort / Die taz sprach mit Susanne Hehenberger, die Mitglied des basisdemokratischen Delegiertenrates in Wien ist

taz: Heute kam die Meldung, daß die Studenten den Streik abgebrochen haben. Kannst Du dazu Stellung nehmen? Susanne Hehenberger: Nur die Österreichische Hochschülerschaft (ÖH)die offizielle Vertretung der Studenten hat den Generalstreik ausgesetzt. Der Delegiertenrat hat einen entgegengesetzten Beschluß verabschiedet. Darin heißt es, daß wir weiter streiken und daß sich die Mehrheit von der ÖH nicht mehr vertreten fühlt. Wie viele Studenten beteiligen sich am Streik? In Österreich gibt es 170.000 Studenten. Aktiv am Streik beteiligt sind 20.– bis 30.000 Studenten bundesweit. Bis jetzt ist mit Unterstützung der ÖH der Streik geschlossen in allen Bundesländern durchgeführt worden. Die Universitäten wurden lahmgelegt. Jedes Insitut wurde bestreikt. Gab es einen entsprechenden Streik schon früher einmal? Nein, es ist in Österreich die größte Studentenbewegung, die es je gab. Wen kümmert so ein Streik? Wenn die Studenten nicht zur Vorlesung gehen, schädigen sie sich doch allenfalls selbst. So sehe ich das nicht. Wir müssen in dieser harten Form zeigen, daß man mit unseren Interessen nicht so umgehen kann, wie die es versuchen. In der Zwischenzeit hat es von der Regierung Rückmeldungen gegeben. Die sind verhandlungsbereit. Wir wenden uns gegen den Sozialabbau und gegen den Ausverkauf der Universitäten, daß also die Institute eine erleichterte Privatrechtsfähigkeit erhalten. Das bedeutet, daß private Geldgeber auf den Universitätsbetrieb Einfluß nehmen können. Wie sah die „Rückmeldung“ der Regierung aus? Die Regierung sagt, sie sei verhandlungsbereit und verspricht, einzelne Zugeständnisse zu machen. Konkret: Nach dem Maßnahmenpaket der Regierung soll die Obergrenze der Familienbeihilfe von jetzt 27 auf 25 Jahre gesenkt werden. Jetzt bietet die Regierung eine flexible Übergangslösung an. Das bedeutet, daß für einzelne Studienrichtungen die Beihilfe länger ausgezahlt werden soll. Diesem Zugeständnis schließt sich die Mehrheit der Studenten nicht an, weil sie in den sozialen Numerus clausus in keiner Weise einwilligen will. Geht es bei dem Streik nur um Eure ureigensten studentischen Interessen, oder hat er auch eine allgemein–politische Komponente? Die allgemein–politische Komponente wird immer wieder sehr stark von der Streikbewegung betont. Von dem Belastungspaket der Regierung profitieren nur wenige. Wir versuchen, die Gemeinsamkeit aller Betroffenen herauszustreichen. Kannst Du was zu den Studienbedingungen in Österreich sagen? Schon vor dem Erlaß des Paketes waren die Studienbedingungen sehr dramatisch. Es gibt für fast keine Studienrichtungen ausreichende Hörsäle usw. Trotz steigender Hörerzahlen werden Ausbaupläne für die Universitäten verhindert. Außerdem wird Lehrpersonal gekürzt. Wie reagieren die Professoren? Die meisten sind solidarisch. Sie haben Streikerlaubnis bekommen vom Akademischen Senat. Direktoren der Universitäten in Wien haben diesen Streik unterstützt. Welche Aktionen sind für die nächsten Tage geplant? Wir versuchen, den Streik aufrecht zu erhalten. Das wird ohne die ÖH um einiges schwieriger werden. Am Donnerstag gibt es eine bundesweite Demonstration, die dezentral in den einzelnen Bundesländern durchgeführt wird. Über andere spektakuläre Aktionen wird noch nachgedacht. Wie lange werdet Ihr den Streik noch durchhalten können? Sicherlich noch eine Woche. Rechnet Ihr mit einem konkreten Erfolg? Ja, in einzelnen Teilbereichen. Zum Beispiel, daß die Kinderfamilienbeihilfe bis 27 Jahre aufrecht erhalten bleibt. Und dann wäre alles erledigt? Nein, natürlich nicht. Wir haben uns jetzt Strukturen geschaffen, die es uns ermöglichen, weitere Aktionen zu starten und politisch–inhaltlich über die Maßnahmen der Regierung zu diskutieren. Es werden sicher weitere Aktionen folgen. Interview: nms