IG–Metall pocht auf Stahl–Ersatzarbeitsplätze

■ Steinkühler: Juni–Vereinbarung einlösen / Thyssen mauert / Ansätze bei Krupp

Aus Düsseldorf Walter Jakobs

Die IG–Metall hat gut drei Wochen nach der Bonner Finanzierungszusage für den Stahlbereich die deutschen Stahlkonzerne aufgefordert, jetzt endlich die im Juni getroffene Vereinbarung zwischen den Tarifpartnern umzusetzen und mit dem Aufbau der Ersatzarbeitsplätze an den Stahlstandorten zu beginnen. Vor der Presse sagte der IGM–Vorsitzende Franz Steinkühler am Donnerstag abend, „wir wollen, daß endlich angefangen wird“. In der fünf Punkte umfassenden Vereinbarung zwischen der IG– Metall und der Wirtschaftsvereinigung Eisen und Stahl vom Juni heißt es u.a., daß es nach „gemeinsamer Auffassung“ notwendig sei, für die im Stahlbereich wegfallenden Arbeitsplätze „primär Ersatzarbeitsplätze“ zu schaffen. Eine Zusage, auf deren Erfüllung die IGM nach der Bereitstellung der öffentlichen Beihilfen nun pocht - mit bisher unterschiedlichem Erfolg. Juristisch einklagbar sind die Versprechungen nicht. Die Vereinbarung ist rein politischer Natur, eine Absichtserklärung, mit der, so Steinkühler zutreffend, „kein Betriebsrat vor den Kadi laufen kann“. Der IGM–Vorsitzende hält die Abmachung und die damit verbundene Verpflichtung der Stahlbosse, auf Massenentlassungen zu verzichten, gleichwohl für „nicht alltäglich“, spricht so gar von „einem wichtigen Etappensieg“, denn der „IG–Metall ist es gelungen, die Weichen in der Stahlpolitik prinzipiell neu zu stellen“. Durch „konzernweite Beschäftigungsprogramme, betriebliche Beschäftigungspläne und örtliche Beschäftigungsinitiativen“ müsse, so Steinkühler, die Forderung nach Ersatzarbeitsplätzen umgesetzt werden. In den Unternehmen fordert die IGM unter gewerkschaftlicher Beteiligung die Einrichtung von „Expertenkommissionen“ und „Investitionsausschüssen“, die konkrete Investitionsprojekte erarbeiten sollen. „Für einen großen Teil der betroffenen Stahlarbeitnehmer“ seien, so Steinkühler, in Kürze Ersatzarbeitsplätze zwar „nicht realisierbar“, aber „es muß endlich angefangen werden, damit wir wenigstens denjenigen eine Chance eröffnen, die jetzt zur Schule gehen“. Steinkühler: „Wir wollen weg von der konventionellen Sozialplänen, denn sie geben den alten Industrieregionen keine Arbeit und der jungen Generation keine Zukunft“. Während Steinkühler eine neue Krisenpolitik beschwört, saniert Thyssen seinen Stahlbereich auf geradezu klassische Weise. Der Abbau von 7.800 Arbeitsplätzen, so die Thyssen Stahl AG in dieser Woche, sei bereits zum überwiegenden Teil abgewickelt. Auch für die noch ausstehenden 3.000 Arbeitsplätze werde man „sozialverträgliche“ Lösungen finden. Mit keinem Wort geht Thyssen auf die Forderung nach Ersatzarbeitsplätzen ein. Linke Thyssen–Betriebsräte, die die Juni–Vereinbarung als zu schwammig und beliebig interpretierbar kritisiert hatten, sehen ihre ärgsten Befürchtungen bestätigt. Weil in der Juni–Vereinbarung sich auch der Satz findet, daß, solange die Schaffung von Ersatzarbeitsplätzen „nicht kurzfristig realisierbar ist, alle Möglichkeiten zur sozialverträglichen Gestaltung in Anspruch genommen werden müssen“, verstößt Thyssen zwar gegen den Geist, nicht jedoch gegen die Buchstaben der Abmachung. Während Thyssen mauert, sieht Steinkühler bei der Krupp– Stahl–AG „erste Ansätze“, die in „die richtige Richtung weisen“. Eine Betriebsvereinbarung zwischen Geschäftsleitung und dem Krupp–Betriebsrat sieht z.B. eine Arbeitsgruppe vor, die dem Vorstand Vorschläge für „Ersatzproduktionen“ unterbreiten soll. Jüngeren Stahlkochern wird eine zweijährige Weiterqualifizierung in Aussicht gestellt, verbunden mit einem Rückkehranspruch und der Garantie des Nettoeinkommens( Arbeitslosengeld plus Krupp–Zuschuß). Die IGM will in den montanmitbestimmten Aufsichtsräten und durch ihre Arbeitsdirektoren und Betriebsräte dafür sorgen, daß diese Ansätze „nicht versanden“ und auf die „Durchsetzung des Versprochenen dringen“.