Fiat gegen alle - „Italien unregierbar“

■ In Italien ist der Kampf zwischen Politik und Wirtschaft entbrannt / „Anti–Fiat–Steuer“ / Mit wem stecken die Sozialisten unter einer Decke? / Rache für Craxi

Aus Rom Werner Raith

Der geflügelte Spruch des Fiat– Patriarchen hängt inzwischen in Tausenden von Büros und Amtsstuben, meist mit Girlanden ummalt und gedacht als feiner Beweis für die italienische Fähigkeit zur Selbstironie. Doch vielleicht müssen die Aufkleber bald einer neuen Wahrheit weichen: „Dies Land ist unregierbar“, hatte Giovanni Agnelli gesagt, „aber das macht nichts. Es läuft auch so alles ganz gut.“ Davon will er jetzt wohl nichts mehr wissen; seit knapp einem Monat hat er offenbar beschlossen, daß man dieses Land doch regieren kann - und daß dies die Falschen tun, da sei Fiat vor. Unerhörtes ist geschehen: Die neue, von Agnelli nach dessen Bruch mit den Sozialisten ins Amt gehievte Regierung unter dem Bankmenschen Giovanni Goria (ein Piemontese wie Agnelli), hat sich unterstanden, Gesetze zur Regelung der italienischen Wirtschaft zu erlassen und - Höhepunkt der Einmischung in innere Fiat–Angelegenheiten - so abstruse Dinge wie Antitrustgesetze einzubringen und die Befugnis zum Vorschlag von Managern in Betrieben mit Staatsbeteiligung wahrzunehmen. Zusätzlich gedachten die Regierenden, das beträchtliche Haushaltsloch mit einer Erhöhung der Mehrwertsteuer auf langlebige Güter zu stopfen, wozu Agnellis Generalbevollmächtigem Cesare Romiti unverzüglich der Begriff „Fiat–Steuer“ einfiel, „sind doch Autos faktisch die einzige einnahmen–relevante Gruppe dieser Güter“; die von Fiat fabrizierten Panzer, Flugzeuge und Waffensysteme vergaß er dabei - vielleicht hält er sie auch nicht für besonders langlebig. Die über ihren eigenen Mut erschrockene Regierung verteidigte sich mit dem Argument, man habe die Mehrwertsteuer nicht allgemein anheben wollen, weil die sowieso wieder steigende Inflationsrate (derzeit fünf Prozent) sonst einen weiteren Schub bekäme; doch das lassen die Autobauer nicht gelten: „Die vier Prozent Aufschlag sind eine glatte Bestrafung dafür, daß Fiat dem Land den wirtschaftlichen Wiederaufschwung gebracht hat“, wie Romiti in aller Bescheidenheit feststellt. Tatsächlich geht das Gerangel um wesentlich kompliziertere Probleme: Nicht zu Unrecht vermuten die Experten des Industriegiganten aus Turin dunkle Machenschaften gewisser Widersacher am Werk - und diesmal im Unterschied zu früher gleich an faktisch allen Fronten, die Fiat interessieren, vom Autobau über den Medienbereich bis zum Bankensektor. So zielt das Antitrustgesetz vor allem auf die von Fiat etablierten eigenen Finanzierungsgesellschaften zur Ausschaltung der Abhängigkeit von den meist staats–dominierten Banken; das vorgesehene Mediengesetz könnte das Aus für den von Fiat anvisierten Einstieg beim grenznahen, aber der italienischen Kontrolle entzogenen Fernsehsender Telemontecarlo bedeuten, an dessen in halb Italien empfangenem Sichtprogramm Fiat wohl weniger interessiert ist als am damit verbundenen Werbemarkt. Hinter dieser Blockade steckt für Agnelli dessen Erzfeind und Rivale um die vordersten Plätze der reichsten Männer im Lande, der Medienzar Silvio Berlusconi (Italia 1, Retequattro, Canale cinque, neuerdings auch die Zeitung Il Giornale Nuovo). Und mit dem kungelt, wie man in Italien weiß, der ehemalige Minister präsident Bettino Craxi. Dessen Sozialisten, dem unerfahrenen Newcomer Goria weit überlegen, sitzen nach wie vor in der Regierung. Sie sind es denn auch, denen Agnelli sowieso den Großteil der vermeintlichen Intrigen gegen sich unterstellt - Rache dafür, daß Agnelli, nach anfänglicher Unterstützung des Sozialisten im Amt des Ministerpräsidenten, Craxi fallenließ, sobald dieser die ihm von Agnelli zugedachte Aufgabe erledigt hatte, die Gewerkschaftsbewegung in Italien auf Null zu bringen. Die Sozialisten sonnen sich geradezu in dieser Vermutung, haben sich inzwischen einen regelrechten Heiligenschein aufgesetzt - ihnen geht es „ausschließlich darum, das Primat der Politik vor der Wirtschaft klar zum Ausdruck zu bringen“, wie der für die Fiat– Steuer verantwortliche Haushaltsminister und Craxi–Vertraute Giulio Amato beteuert. Agnelli sieht da, mit gewissem Recht, eher Scheinheilige als Heilige am Werk, war doch Craxi es gewesen, der 1984 als Ministerpräsident Fiat höchstpersönlich dazu vergatterte, den konkursnahen Verlag Rizzoli mit seinem Flaggschiff Corriere della Sera zu sanieren, vorbei an den damals geltenden Gesetzen gegen Pressekonzentration (Agnelli gehört u.a. La Stampa). Sozialistenwerk war auch der Verkauf der schwer angeschlagenen staatseigenen Autofirma Alfa Romeo an Fiat, trotz attraktiver Angebote aus dem Ausland - aber Craxi setzte damals auf Wählerstimmen aus dem nationalbewußten Lager. Von Trustbildung keine Rede, die Sozialisten hefteten sich den Gigantismus als „Zeichen unserer Aufgeschlossenheit für den internationalen Wettbewerb“ an ihre Fahnen. Wer ist der Reichste? Agnelli scheint entschlossen, die Zügel im Land nun mal selber in die Hand zu nehmen. Verdrossen darüber, daß seine Schwester Susanna seit der Regierungsneubildung nicht mehr als Außenamtsstaatssekretärin sozusagen direkt für den Clan am Kabinettstisch sitzt, blockierte er die Ernennung einer Managerin der Telit. Für den Mischkonzern mit Fiat– und Staatsbeteiligung hatte die dafür zuständige Regierung eine sozialistennahe Kandidatin vorgeschlagen. Das Unternahmen soll eines der ehrgeizigsten italienischen Projekte der nächsten Jahre realisieren: das Land im Fernmelde– und Datenübermittlungsbereich autonom zu machen. Gleichzeitig schloß er einen durch öffentliche Umarmung besiegelten Pakt mit einem anderen Rivalen um den Rang des reichsten Mannes im Land, Raul Gardini von der Gruppe Ferruzzi, die zu den Welt– Spitzenreitern im Agrar– und Nahrungsmittelsektor gehört; Gardini, vorher eher klammheimlich auf der Seite der Auto–Besteuerer, findet nun plötzlich die „Regierungsmanöver ziemlich überhastet“. Die Daumenschrauben zeigen Wirkung - plötzlich geht es nun nicht mehr so unbedingt um das Primat der Politik; man könne, so PSI–Fraktionsvorsitzender und Craxi–Intimus De Michelis, „über eine Reihe vielleicht überzogener Positionen in den Gesetzesvorschlägen nochmal nachdenken“. Vielleicht stimmt das Agnelli– Wort doch - es läuft auch so alles ganz gut; manchmal muß man eben mal mit dem Fuß aufstampfen.