Protest im Wind

■ Al demonstrierte am Vorabend des Festaktes

Tiergarten, Dienstag abend, Herbstlaub, kalter Wind, Polizei, Absperrgitter, Ausweiskontrollen - sollte die Protestveranstaltung der Alternativen Liste am Vorabend des Festaktes fürs Deutsche Historische Museum soviel Besorgnis ausgelöst haben? Nein, es war die Mischung: Nebenan, zur gleichen Zeit, wurde das „Carillon“, das millionenschwere Jubiläumsgeschenk von Mercedes–Benz, eingeweiht - ein schwarz–marmorner Glockenspielturm. Auf der improvisierten Lastwagenbühne konnte Christian Ströbele von ersten Erfolgen berichten: Ddas Verwaltungsgericht habe das Verbot der Polizei, das Areal zu betreten, aufgehoben. Beifall. Teilnehmern (etwa 150) wurden Plastikhandschuhe angeboten, denn es galt die blauen (“umweltfreundlichen“) Plastikplanen, die die monströse Dimension des geplanten Museums belegen sollten, gegen den zunehmenden Wind zu beschweren. Anwesend war die alternative Protestfolklore, waren die Gegner der Westtangente, die Geschichtswerkstätten, die VVN, die AL–Abgeordneten und auch ein einsames Mitglied der Kommission fürs Deutsche Historische Museum. Über dem Gelände flogen, vom Wind getragen, ein Gespenst und ein Friedenssymbol. Die AL bot, was man phantasievolle Aktionen nennt. Ein Sarg (“dem deutschen Volke“), der unter Trauermusik begraben wurde; Schafsmasken (“mir ist nicht wohl bei soviel Kohl“, „Centre–Kohl“) und Pickelhauben liefen herum, am Schluß eine etwas plumpe Kohl– Parodie, Sketch genannt. Das „Carillon“ spielte „Lobet den Herrn“, als Ekkehart Krippendorf zu erklären begann, „warum wir kein Museum brauchen, aber dennoch eines bekommen werden“. Nationalgeschichte im Museum sei Rückschritt, „aktuell ist allein die weltgeschichtliche und regionalgeschichtliche Perspektive“. Wie Krippendorf befürchtete auch der folgende Redner, Wieland Elfferding, daß durch das Museum das „Kräfteverhältnis zwischen Geschichte von unten und Offizialgeschichte“ durch das Museum verändert werde. Außerdem werde ein solches Museum die „Beruhigung“ mit sich bringen, daß man „über das Unsägliche etwas sagen kann“. Ströbele verzichtete auf Diskussion, betonte aber, die Aktion sei ein „Ansatzpunkt“ für die Verhinderung. Dieses etwas ohnmächtige Angebot alternativer Phantasie hätte mehr sein können: Die grüne Fraktion in Bonn wollte eine große öffentliche Auseinandersetzung mit Enzensberger, Dalosz und Bartoszweski. Allein, die AL meinte, daß sei gegenwärtig organisatorisch nicht zu leisten. KH