Einmaleins der Verschuldungskrise

■ Eine Neuerscheinung zum Thema internationale Verschuldungskrise will zum Ariadnefaden im Labyrinth der Weltwirtschaftskrise werden / Gut geeignet zur Vorbereitung auf die Weltwährungstagung 1988 in Berlin BUCHREZESSION

Wenn sich die internationale Finanzelite im Herbst nächsten Jahres in Berlin zur IWF– und Weltbanktagung ihr Stelldichein geben wird, sind wieder heiße Debatten über die unvermindert fortdauernde Verschuldungskrise, über Verantwortlichkeiten und Lösungswege zu erwarten. Auf dem Büchermarkt wirft dieses Großereignis seine Schatten voraus - an Veröffentlichungen zum Thema herrscht kein Mangel. Jedoch handelt es sich in der Regel um Werke, die einen hohen ökonomischen und entwicklungspolitischen Kenntnisstand erfordern oder aber populärwissenschaftlich gehalten und analytisch fragwürdig sind. Einen Zwischenweg zu beschreiten, versucht das von Altvater / Hübner / Lorentzen / Rojas herausgegebene „Handbuch zur Schuldenkrise von Argentinien bis Zaire“ mit dem plakativen Titel „Die Armut der Nationen“. Vom Rotbuch Verlag wird es völlig unprätentiös als „Standardwerk zur Zukunft der Weltwirtschaft“ angepriesen. Es ist den Herausgebern gelungen, ein Buch vorzulegen, das auch dem ökonomischen und politologischen Laien eine Orientie rung im Dschungel der Eurodollarmärkte, Stand–by–Agreement und Debtequity–Swaps ermöglicht. Eine Chronologie der Verschuldungskrise, eine Vielzahl von Tabellen und übersichtlichen Schaubildern sowie ein umfangreiches Lexikon mit Fachbegriffen erleichtern den Problemzugang. Mit den 23 in dem Band vereinigten Beiträgen wird versucht, das Thema der Schuldenkrise in einem breiteren Kontext von Diskussionen über entwicklungspolitische Wege und Sackgassen sowie Strukturverschiebungen auf den Weltmärkten zu debattieren. So untersucht U. Menzel in seinem hervorragenden Beitrag die These von einer Machtverlagerung vom atlantischen zum pazifischen Becken. T. Hurtienne setzt sich vor dem Hintergrund bisheriger entwicklungspolitischer Fehlschläge, etwa des „Modells binnenmarktorientierter Industrialisierung“ und der negativen Erfahrungen „nicht orthodoxer Stabilisierungsversuche“ a la Brasilien und Peru, kenntnisreich und differenziert mit zukünftigen Entwicklungschancen der verschuldeten Peripheriestaaten auseinander. In den meisten Beiträgen kommt einerseits klar zum Aus druck, daß ohne eine politische Lösung der internationalen Schuldenkrise die Entwicklungsländer jeglicher Perspektive beraubt sind. Andererseits wird nirgends die Illusion vermittelt, diese wären mit einer Lösung des Schuldenproblems ihrer Sorgen entledigt. Die je national unterschiedlichen „Entwicklungs“–wege, die im Verschuldungsdesaster ihr Ende fanden, werden klar als das eigentliche und tieferliegende Problem benannt. Die Schuldenkrise konnte erst im Zusammenwirken des Scheiterns nationaler Entwicklungsmodelle mit Krisentendenzen der kapitalistischen Weltwirtschaft, verbunden mit der Hegemoniekrise der USA, ihre gefährliche Dynamik entwickeln. Einige Beiträge kann man allerdings getrost überblättern, so etwa den von Fröbel / Heinrichs / Kreye gelieferten zehnten Aufguß ihrer These von der „Neuen internationalen Arbeitsteilung“. Diese wird nicht nur durch Wiederholung nicht richtiger, sondern wird auch noch in einem derart schlampigen Stil präsentiert, daß man sich ernsthaft fragen muß, wie dieser Text den Weg zwischen die beiden Buchdeckel hat finden können. Ebenso unergiebig ist der Beitrag von C. Dziobek über die Rolle der USA in der Verschuldungskrise. Man erfährt nur wenig und dazu noch Oberflächliches zum Zusammenhang zwischen der US– Hegemoniekrise und den weltwirtschaftlichen Ungleichgewichten; dafür wird man aber beispielsweise mit einer schlecht kaschierten Abschrift des Forderungskataloges des US–Debt–Crisis–Networks genervt. Bei der Auswahl der Länderanalysen fällt auf, daß sowohl das beim IWF als Musterbeispiel erfolgreichen Schuldenmanagements gepriesene Südkorea als auch das auf Konfrontationskurs festgelegte Peru leider fehlen. Was man ebenfalls vergeblich suchen wird, ist eine Darstellung und Diskussion der bisher erarbeiteten Lösungskonzepte für die Schuldenkrise. Dennoch ist das Buch all denjenigen zu empfehlen, für die die Beschäftigung mit der Thematik zwar nicht zum alltäglichen Brot gehört, die sich aber nichtsdestotrotz eine fundierte Meinung bilden und bei den im nächsten Jahr verstärkt zu erwartenden Diskussionen nicht aus dem hohlen Bauch argumentieren wollen. Joachim Schild