Die Börsianer flüchten an den Rententresen

■ In der Frankfurter Wertpapierbörse fallen die Kurse weiter / Hektische Aktivitäten von hufenscharrenden Börsenhengsten / Ein „Meer von Minus“ auf den Monitoren / Bei Mc Donalds steht der Dollar nur noch bei 1,65 Mark

Von K.P. Klingelschmitt

Frankfurt (taz) - Gestern vormittag, als sich Schlag 11.30 Uhr die Tore der Frankfurter Wertpa pierbörse öffneten, hatten diverse Börsenhengste schon minutenlang ungeduldig mit den Hufen gescharrt. Der Fall des US–Dollars am Mittwoch - offizieller Kurs rund 1,75 DM, Kurs bei Burger– King: 1.70 DM - löste nämlich auch bei den Aktien–Spekulanten leichte Panik aus. Entsprechend laut ging es in der Aktien–Schalterhalle der Börse zu, denn die Kurse fielen auch am Donnerstag morgen weiter in den Keller. Minus–Meldungen auf allen Monitoren - und die Trendmeldungen ließen bei den durchweg jungen Börsianern kaum bessere Stimmung aufkommen. In diesen „unruhigen Zeiten“ müsse man eben von der Hand in den Mund leben, erzählte ein alter Börsenfuchs seinem knapp zwanzigjährigen Adlatus, der sich anschickte, mit aufgekrempelten Hemdsärmeln den Kampf um einen Platz am Tresen der Kursmakler aufzunehmen. Am „Stahl–Tresen“ beispielsweise - dort verloren die Mannesmann–, Hoesch– und Thyssen– Aktien schon fünf Minuten nach Eröffnung erheblich an Wert - erdrückten sich die Aktien–Verkäufer fast gegenseitig. Über Walkie–Talkies schreien die Spekulanten ihre Verkaufsabsichten in die Buchmacher–Büros in einem Bau–Container - die Frankfurter Wertpapierbörse wird zur Zeit umgebaut und renoviert. Fallende Tendenzen auch bei den Kaufhaus– und Bergbau–Aktien. Auf keinem der schätzungsweise hundert Monitore blinken die ersehnten Pluszeichen vor den Notierungen auf - ein „Meer von Minus“, wie ein geschockter Börsianer seinem Kollegen, der sich in die Rentenwerte flüchten wollte, zuschrie. Staatliche Anleihen und sichere Rentenwerte mit festen Zinssätzen erlebten an diesem Vormittag in der Frankfurter Börse tatsächlich eine Renaissance. „Soviel Betrieb herrscht normalerweise am Rententresen nicht“, meinte die Börsen–Hostess, die mich auf dem lärmumtosten Weg durch den Aktiendschungel begleitet. Die Großbanken, die im Moment den größten Reibach machen, da sie die Provisionen der diversen Aktienverkäufe kassieren, haben innerhalb der Börse eigene Büros. Kleinere Banken verfügen nur über Telefonzellen. In einer dieser Zellen schlägt ein entnervter Makler auf den Apparat ein, während andere vor den Zellen drängeln. Gekauft werde allerdings auch noch, wie meine Begleiterin versicherte, denn sonst „würde hier ja alles zusammenbrechen“. Ein rascher Blick auf den Monitor gab Auskunft darüber, daß „Kali und Salz“–Aktien absackten. Sofort bildete sich um den „Bergbau–Tresen“ eine Traube von Spekulanten: Nur jetzt schnell noch verkaufen. Nach einer halben Stunde Börse wurde ich von meiner Begleiterin wieder aus dem „Hallenschwimmbad“ (Börsen–Jargon) hinaus und in die ruhigeren Fahrwasser der Vorhalle geleitet. Auch den Mitgliedern der Abteilung Öffentlichkeitsarbeit in der Börse brummen zur Zeit die Köpfe, denn die Journalisten geben sich seit rund zwei Wochen die Klinken in die Hand. Als um 12.30 Uhr die nahegelegene Devisenbörse öffnete, für die die taz keine Akreditierung hatte, schaute ich noch schnell bei „Mc Donalds“ vorbei. Dort war der Dollar bereits auf 1,65 DM gefallen. „Burger–King“ wird wahrscheinlich schon nachgezogen haben.