Der längste Teich der BRD heißt Saar

■ Unser Korrespondent fuhr auf der neuesten Großschiffahrtsstraße / Jubel, Trubel, Heiterkeit - Segen und Proteste / Ein Festakt und seine Langeweile / Frau Warnke war noch nie im Saarland

Vom Kanal Felix Kurz

„Da habe ich nun die ganze Welt kennengelernt, aber im Saarland, da war ich noch nie“, gesteht strahlend Frau Warnke dem saarländischen Umweltminister Jo Leinen. Die Frau des Bundesverkehrsministers Jürgen Warnke (CSU) ist mit von der Partie der illustren Festgemeinde, die sich zur Eröffnung der Saar als Schiffahrtsstraße in Merzig eingefunden hat. Von der Stadt besteigen Festtroß und zahlreiche zahlende Schaulustige bei Flußkilometer 44 den Konvoi der weißen Flotte. An der Spitze die „Schloß Karlsberg“ mit den „Persönlichkeiten des öffentlichen Lebens“. Ihr Kapitän, Rudolf Frankenfeld, fährt das erste Mal die Strecke flußabwärts zum malerisch gelegenen Saarburg. Bis dato gondelte er von Saarbrücken aus in das französische Kanalsystem. Doch jetzt, so sagt er, will er den Schiffstourismus von Merzig aus „ankurbeln“. Rudolf Frankenfeld ist an diesem Tag nur einmal kurzfristig sauer. Das Wasser– und Schiffahrtsamt Saarbrücken hatte ihm tatsächlich aufgetragen, während der Fahrt bei den geladenen Gästen des öffentlichen Lebens für die verzehrten Getränke abzukassieren. Frankenfeld war ehrlich entsetzt: „Da blamieren wir uns doch in der ganzen Republik.“ Der Wirtschaftsminister Hoffmann bogs gerade und niemand mußte fürs Bechern blechen. Die Boote legen ab. Die Merziger Feuerwehr läßt den Wasserschleier, den sie über die Saar gelegt hat, in sich zusammenfallen. In trauter Eintracht präsentieren sich der Bundesverkehrsminister und die beiden Ministerpräsidenten Oskar Lafontaine (SPD) und Bernhard Vogel (CDU). Jeder der drei will das die Saar überspannende schwarz–rot–goldene Bändchen anfassen, aber nur einer darf es durchschneiden. Das ist Warnke und der versucht schnell noch einen Witz: „Da schwimmt ein Krokodil.“ Keiner lacht. Dann der Schnitt. Sirenen heulen. Gequältes Beifallklatschen von Fest– und Zaungästen. Menschen am Ufer winken der kleinen Flotte zu. Zwischendurch Transparente, auf denen mal gegen den Saarkanal (“Oskar, hier geht die Saar den Bach runter“), mal gegen die Abfallpolitik der Saar–Regierung protestiert wird. „Wir wissen, wie Oskar verhütet, keine Giftmülldeponie in seiner Nähe“, heißt es einmal. Die Kommentare der Politiker bewegen sich dabei zwischen Zorn, Unverschämtheiten und Mitleid. „Ach schau, wie rührig die sind.“ Schon in Merzig hatten Umweltschutzgruppen mit einem Sarg gegen das Monsterbauwerk protestiert. Sie stießen auf Demonstranten der ÖTV, die den Erhalt der Wasserschiffahrtsämter Trier und Saarbrücken fordern. Vorbei geht es dann an der vormals wunderschönen Saarschleife bei Mettlach, deren Ufer mit Steinen und Beton verfestigt wurde. „Das sieht doch schön aus“, „Gut gemacht“, tönt es. An der Staustufe Mettlach begrüßt Bürgermeister Manfred Zimmer die Kanalgläubigen. „Der Fluß wird dem Wohl der Gemeinde Mettlach dienen und es mehren“. Die Gemeinde war ganz besonders vom Saar–Ausbau betroffen. Jahrelang detonierten im Mettlacher Tal die Sprengladungen der Baufirmen, die nur so die Felsen beseitigen konnten. Dann schlägt die Stunde der Pfaffen. In der Bibel steht zwar nichts über Staustufen, aber segnen kann man sie ja trotzdem. Immerhin weiß man ja, daß selbst der Apostel Paulus dreimal Schiffsbruch erlitten hatte. Nach der Zeremonie, artig bekreuzigen sich beide Ministerprä sidenten, öffnen sich die Schleusentore. Und was sieht man zuerst? Dreck, Schaum. Es ist eine reine Freude. Die nächste Staustufe kommt in Serrig. 14 Meter tief werden die Boote abgesenkt. In der einbrechenden Dunkelheit erhellt ein Feuerwerk die schmutzige Saar. Die Saar in Flammen, auch eine Premiere, wird von den Baufirmen gesponsert, die am Kanal kräftig verdient haben und noch verdienen. Mehr als zwei Millarden Mark wird das Großprojekt nach seiner endgültigen Fertigstellung verschlungen haben. Für die jetzt eröffnete 60 Kilometer lange Teilstrecke von Konz bis Dillingen wurden bereits über 1,4 Milliarden Mark bezahlt. Als man in Saarburg ankommt, haben sich erstaunlich viele Menschen versammelt. Er habe den Eindruck, macht sich Ministerpräsident Oskar Lafontaine glauben, daß die Bevölkerung den Kanal angenommen habe.