DKP auf der Hatz gegen Kritiker

■ Altgedienter Genosse und Betriebsratsmitglied Andreas Müller–Goldenstedt hatte in der taz den Mangel an deutschem Glasnost und Perestroika moniert / Jetzt droht ihm zur Strafe der Parteiausschluß

Aus Hamburg Reiner Scholz

Seit drei Wochen betreibt der Düsseldorfer DKP–Parteivorstand den Ausschluß des Hamburger Parteimitglieds Andreas Müller– Goldenstedt, weil dieser der taz am 6.Oktober ein Interview gab, in dem er sich kritisch mit dem Zustand seiner Partei auseinandersetzte. Während die DKP dieser Tage mit den Begriffen von „Glasnost“ und „Perestroika“ überall zum „Roten Oktober“ aufruft, reagiert sie panisch auf ein Mitglied, das diese Worte offensichtlich ernst nimmt. In der taz hatte das Betriebsratsmitglied Müller–Goldenstedt unter der Überschrift „Endlich klar Schiff machen“ harte Worte für seine Partei gefunden. Er monierte, daß die innerparteiliche Demokratie sich nicht weiterentwickelt habe, mahnte die Entwicklung einer „kommunistischen Politik für unser Land“ an und kritisierte: „Wir müssen wieder mehr unseren eigenen Kopf gebrauchen.“ Seit diesem Interview, mit dem er ein 20 Jahre währendes Tabu brach, sich mit dem Zustand der DKP nicht in einem „unparteiischen“ Blatt auseinanderzusetzen, hängt der Haussegen gründlich schief. Seine damals gegebene Einschätzung: „Diskutiert wird ja viel, aber es darf nichts nach außen dringen“, erweist sich als voll ins Shwarze getroffen. Noch am Tage des Erscheinens antworteten der Hamburger Berzirksvorsitzende Wolfgang Gehrke und der Parteivorstand in Düsseldorf mit harschen Gegenerklärungen. Seitdem läßt der „Fall Müller–Goldenstedt“ die Partei nicht mehr los. Daß ein über Hamburg hin aus bekannter Genosse es gewagt hatte, in einem Organ wie der taz die verknöcherte Partei in einer nie in der Öffentlichkeit gelesenen Weise zu kritisieren, hat die Nachfrage unter den Aktivisten zwischen Flensburg und München nach dieser taz–Ausgabe sprunghaft in die Höhe schnellen lassen, Bezirksversammlungen in Bremen und Bremerhaven waren so gut besucht wie nie. Der Bundesvorstand betreibt den Ausschluß des unbequemen Kritikers. Höhepunkt der Hatz gegen Müller–Goldenstedt waren die Sitzung des Parteivorstands Mitte letzter Woche und das zweitägige Treffen des Hamburger Bezirkspräsidiums und -vorstandes. Auf diesen Treffen lehnte Müller– Goldenstedt eine pauschale Distanzierung ab. Daraufhin beschlossen die 50 Mitglieder des Hamburger Bezirksvorstandes am Wochenende mit großer Mehrheit, den Fall vor die „Schiedskommission“ zu bringen, die als nicht reformfreudig gilt. Bezirks– und Parteivorstand bezichtigen den Kritiker, die Beschlüsse der Partei nach außen hin an verraten, andere DKP–Mitglieder verleumdet und das vorgeschriebene Schweigegebot verletzt zu haben. Der Parteivorstand schließt: „Wer in einem antikommunistisch orientierten Presseorgan (gemeint ist die taz, Anm. d. Red.) die Politik der DKP angreift, der schadet der Partei und stellt sich selbst außerhalb der Solidargemeinschaft der DKP.“ Sollte Müller–Goldenstedt ausgeschlossen werden, serviert die DKP einen Genossen ab, der sich, zuletzt als Mitglied im Hamburger Bezirksvorstand, 17 Jahre lang unermüdlich für sie engagiert hat.