Syriens Regierung zurückgetreten

■ Novum in der Ära Assad / 22 der 35 Minister starken Regierung sind Baath–Mitglieder / Ministerpräsident Al–Kassm scheiterte an der Wirtschaftskrise / Agrarproduktion ist Problemfeld Nummer eins

Aus Beirut Petra Groll

Der Rücktritt der seit April 1985 amtierenden Regierung der arabischen Republik Syrien sei von Staatspräsident Hafez el Assad angenommen worden, hieß es am Samstag lakonisch aus der syrischen Hauptstadt Damaskus. Weitere Erklärungen waren auch der am Sonntag in Syrien erschienenen Regierungs– und Parteipresse nicht zu entnehmen. Der bisherige Ministerpräsi dent Raouf Al–Kassm, der im Januar 1980 von Assad nominiert worden war, soll fortan in der regionalen Kommandantur der regierenden Baath–Partei für Fragen der nationalen Sicherheit zuständig sein. Assad hatte auf die Fähigkeiten Al–Kassms gesetzt, der in den vergangenen Jahren sich ständig zuspitzenden wirtschaftlichen Krise im Polizei– und Militärstaat entgegenzuarbeiten. Trotz anfänglicher Reformversuche, die Bürokratie im Sektor der öffentlichen Wirtschaft einzudämmen, scheiterte Al–Kassm kläglich. Die Wirtschaftskrise ist zum vordringlichsten Problem Syriens geworden und wurde seit Anfang 1987 gar in einer großangelegten öffentlichen Kampagne gegeißelt. Nicht ein Monat dieses Jahres verging ohne Klagen über Mangel an Grundnahrungsmitteln und Produkten des alltäglichen Bedarfs, von Brot über Benzin bis zu Fleisch. Gegen mehr als 1.000 Funktionäre wurden Prozesse angestrengt, wegen Korruption sowie Unfähigkeit hohe Kader und staatliche Wirtschaftsgesellschaften heftig angegriffen. Bereits im Sommer war der Landwirtschaftsminister auf Drängen der Regierung zurückgetreten. Er hatte den Import einer verseuchten Viehherde aus der BRD genehmigt. 22 der jetzt zurückgetretenen 35 Minister starken Regierung sind Baath–Mitglieder. Beobachter interpretieren den bisher einmaligen Vorgang in der Ära Assad als öffentliche Demonstration, daß auch, wer höchste Posten bekleidet, sich nicht alles leisten kann. Damit soll der unzufriedenen Bevölkerung signalisiert werden, daß sich alles zum Besseren wenden wird. Mit der Kabinettsneubildung, die vermutlich noch vor dem arabischen Gipfeltreffen in Amman am 8. November stattfindet, wurde der 50–jährige Agrar–Ingenieur und derzeitige Präsident der Volksversammlung, Mahmoud El–Zohbi, beauftragt. El–Zohbi begann seine Laufbahn im Landwirtschaftsministerium, wo er die Gesellschft zur Bodenverbesserung des Euphrat–Beckens leitete. 1980 wurde El–Zohbi in die Baath– Führung bestellt, wo er fürs Bauernbüro verantwortlich zeichnete. Die Wirtschaftskrise und vor allem der Rückgang der Agrarproduktion werden also auch weiterhin Hauptthema syrischer Regierungspolitik bleiben.