Konkurrenz der Großen am Golf

■ Sowjetunion will neue US–Dominanz am Golf untergraben / Gute Beziehungen zu allen Staaten der Region angestrebt / USA lehnen Lösungskonzept der UdSSR ab

Aus Managua William Hart

Die Waffenlieferungen an Irak im Rahmen des Freundschaftsvertrages von 1972 fortsetzen, kuwaitische Erdölexporte militärisch absichern und die Beziehungen zu Iran, vor allem im Wirtschaftsbereich, verbessern - so könnte das magische Dreieck der sowjetischen Politik am Golf lauten. Der Architekt dieses Konstruktes, Vizeaußenminister Yuli Woronzow, besucht seit Donnerstag im 24–Stunden–Takt Irak, Kuwait und Iran. Bei seinem dritten Besuch innerhalb von sechs Monaten wolle er seine Bemühungen fortsetzen, Iran und Irak für die Verwirklichung der Waffenstillstandsresolution des Sicherheitsrates zum Golfkrieg zu gewinnen, erklärte Woronzow am Samstag in Kuwait. Aber dann fielen die bemerkenswerten Worte, dies müsse „früher oder später“ passieren. Eine Bemerkung, die den Schluß nahelegt, daß es der Sowjetunion eben doch nicht um einen sofortigen Frieden geht. Auch in Teheran beschäftigte sich Woronzow in seinen öffentlichen Erklärungen mehr mit der Anwesenheit der gewaltigen US– Kriegsflotte im Golf als mit dem Krieg selbst. Geschickt hatte er bereits bei seiner Ankunft erklärt, es gebe Unterschiede in der Haltung Kuwaits und Iraks zum Krieg. Damit wird das sowjetische Nahziel deutlich: Iran soll dazu bewegt werden, die Raketenangriffe auf Kuwait einzustellen. Gleichzeitig setzt Moskau aber im Krieg selbst auf Zeit. Das Kalkül: je länger der Krieg dauere, desto wahrscheinlicher werde zumindest ein Teilrückzug der US– Streitkräfte. Das Moskauer Konzept zur Befriedung der Golfgewässer selbst: Eine multinationale Seestreitmacht soll die Schiffahrt in den durch Minen, irakische Luft– und iranische Schiffsangriffe unsicheren Gewässern wieder sichern. Ein Vorhaben, das derzeit noch von den USA abgelehnt wird. Irak hat natürlich kein Interesse an einer internationalen Streitmacht, da die Kooperation mit den USA in den vergangenen Wochen wesentlich verbessert wurde und international derzeit kaum noch Kritik an den irakischen Luftangriffen auf die iranischen Erdölexporte erfolgt. Natürlich weiß man in Moskau, daß Irak der sowjetischen Haltung mehr und mehr Kritik entgegenbringt. Aber die Sowjetunion kann die irakische Abhängigkeit von sowjetischen Waffen– und Kriegsausrüstungslieferungen nutzen. Ähnlich wie Bonn versucht auch Moskau derzeit, die iranische Forderung nach Verurteilung Iraks als Aggressor möglichst weit zu berücksichtigen. Während bei der Bundesregierung das Entgegenkommen gegenüber Teheran eher von ökonomischen Interessen geprägt ist, geht es der Sowjetunion vor allem darum, die amerikanisch–iranischen Spannungen zum eigenen Vorteil zu nutzen. Mittelfristig kann dies sogar erfolgreich sein. Das sowjetische Kalkül dürfte lauten: Mit dem Einwirken auf Teheran, die Angriffe auf Kuwait zu beenden, werden Pluspunkte im Scheichtum gesammelt. Irak muß gute Miene zum bösen Spiel machen, da es von den sowjetischen Waffenlieferungen abhängig ist. Teheran muß die Verbesserung der Beziehungen mit einer Zurückhaltung in Afghanistan bezahlen. Mittelfristig besteht dann gar die Hoffnung, daß die USA ihre Präsenz im Golf wieder abbauen müssen. Und dann könnte sich auch die Sowjetunion entschlossen für einen Frieden einsetzen.