Und sie unterschreiben doch

■ Die Besetzer der besetzten Häuser in der Hamburger Hafenstraße wollen den vom Senat angebotenen Vertrag nun doch akzeptieren - mit einer Einschränkung

Aus Hamburg Axel Kintzinger

Rund sieben Stunden diskutierte das Plenum der umstrittenen Häuser in Hamburgs Hafenstraße am Sonntag abend - dann war die Überraschung perfekt: Die Bewohner wollen den vom sozialliberalen Senat vorgelegten Vertragsentwurf unterschreiben und damit auch eine ganze Reihe von Klauseln akzeptieren, die sie als „sittenwidrig“ einschätzen. Auf Ablehnung stößt lediglich Paragraph 19 des Pachtvertrages, der den vorzeitigen Abbau der Befestigungsanlagen auf und in den Häusern fordert. Zur Begründung erklärte ein Sprecher der Hafenstraße gestern vor der Presse: „Die Situation ist jetzt so, daß die militärische Räumung des gesamten Gebäudekomplexes vorbereitet wird. In solch einer Situation können diese Vorleistungen nicht erbracht werden.“ Den letzten Anstoß für diese Entscheidung habe die Großdemonstration vom Wochenende gegeben. Trotz der Einschätzung der Hafenstraßen–Bewohner, daß der Vertragsentwurf des Senats „kein Vertragsangebot“ sei, habe die von etwa 8.000 Menschen veranstaltete Demonstration „klar gemacht, daß unser Kampf um selbstbestimmtes Leben hier in den Häusern zur Sache von vielen Menschen geworden ist.“ Für die Zeit bis zur Unterschrift bedeute dies: „Die Befestigungsanlagen bleiben, die Verteidigung wird auch mit Menschen außerhalb der Häuser organisiert.“ Fortsetzung auf Seite 2 Ferner betrachte man etwaige Hausdurchsuchungen als Räumungsversuch, „der von uns entsprechend beantwortet werden wird“. Die Hafenstraßen–Bewohner versprechen aber: „Wenn der Vertrag wirksam unterschrieben worden ist, werden wir die Verteidigungsanlagen abbauen.“ Eine andere Forderung, die der Senat als Vorbedingung für einen Vertrag an die Bewohner gestellt hatte, wurde gestern ohne Abstriche erfüllt: Das Plenum der Hafenstraße bestimmte vier Personen, die von ihrer Seite aus in den noch zu gründenden Trägerverein geschickt werden. Neben dem ehemaligen GAL–Abgeordneten Udo Hergenröder und dem als Hafenstraßenanwalt bekannt gewordenen Rainer Blohm sind dies die Initiativkreis–Mitglieder Claudia Ring und Monika Grimm. Zu den in kauf genommenen „sittenwidrigen“ Paragraphen sagte Hergenröder: „Das sich real entwickelte Leben ist nicht unbedingt durch Paragraphen festzulegen“. Von Seiten des Senates war zu dem überraschenden Vorstoß gestern keine Antwort zu bekommen. Bürgermeister Klaus von Dohnanyi (SPD) war am Montag in Wien, die Senatsmitglieder zeigten sich noch baff und wollten sich nicht äußern. Die Stadtregierung wird am morgigen Mittwoch über die neue Situation beraten.