Schärfere Gesetze bis Weihnachten

■ Union will in geistige Offensive gegen „halbherzige Distanzierer“ gehen / FDP sieht Stunde der Fahndung und nicht die des Gesetzgebers / Gesetzesvorhaben sollen jetzt beschleunigt werden

Aus Bonn Oliver Tolmein

In der Koalitionsrunde, die gestern nachmittag in Bonn tagte, hat CDU/CSU–Fraktionschef Dregger die Situation nach der Tötung der beiden Polizisten an der Startbahn zum Thema gemacht. Wie aus Kreisen der Unionspartei zu erfahren war, soll dabei zweierlei vorgeschlagen worden sein: zum ersten den möglichst umgehenden Beschluß der seit geraumer Zeit in der Diskussion befindlichen Strafrechtsverschärfungen, über die sich FDP und CDU/CSU weitgehend oder vollständig einig seien. Bis Weihnachten, so der Vorschlag, sollten die Strafbarkeit der Teilnahme an verbotenen oder aufgelösten Versammlungen, die Strafbarkeit der Befürwortung von Gewalttaten sowie die Erweiterung des Haftgrundes Wiederholungsgefahr beschlossen werden und als Gesetz in Kraft treten. Des weiteren kam aus der CDU/CSU die Initiative künftig in allen Polizeien der Bundesländer, sowie beim BGS „Greiftrupps“ nach dem Muster des Westberliner EX–Kommandos aufzustellen. Nach Meinung von Unionspolitikern ist die umgehende Umsetzung dieser Maßnahmen „das Mindeste“, was jetzt getan werden muß. Allerdings seien das noch keine adäquaten Reaktionen auf die Todesschüsse an der Startbahn. „Der Staat wird gemäßigter reagieren, als sich Frau Ditfurth das wünscht“, sagte ein Unionspolitiker. Allerdings müsse jetzt endgültig Schluß sein mit den Hemmnissen gegen eine wirkungsvolle Politik der „Inneren Sicherheit“. Auf jeden Fall müsse es jetzt darum gehen, die geistige Offensive gegen „die Horde gefährlicher Schwätzer“ zu eröffnen, die sich halbherzig von Gewalt distanzierten. Der qualitative Unterschied zwischen Stahlku geln aus Zwillen und Pistolengeschossen sei so groß nicht. Hier müssen endlich „reiner Tisch gemacht und eine unmißverständlich klare Absage an jede Gewalt und Gewaltunterstützung formuliert werden“. Zu Vorbehalten in der FDP gegen sofortige gesetzliche Maßnahmen hieß es: selbst Äußerungen von Joschka Fischer und Otto Schily ließen erkennen, daß die FDP mit ihren Positionen alleine dastünde. Aus der FDP war zu hören, daß die „die Stunde der Fahndung und nicht die des Gesetzgeber“ sei (Hirsch). Intern wurde in der FDP die Frage aufgeworfen, wie es angesichts von 600 eingesetzten Polizeibeamten und 200 Demonstranten zu einer solchen Situation kommen konnte und dann direkt am Tatort noch nicht einmal Festnahmen erfolgten. Nach Auffassung innerhalb der FDP–Fraktion hätten die Ereignisse an der Startbahn auch nichts mit Versammlungs– und Demonstrationsrecht zu tun, es handele sich hier um „brutalste, kriminelle Machenschaften“. Außerdem hätten sich alle 200 bei den Aktionen befindlichen Leute auch nach geltendem Recht der schweren Straftat Landfriedensbruch schuldig gemacht. In Kreisen verantwortlicher Bonner Politiker wurden zwei Fakten als bedenklich benannt: Das hessische Kabinett habe ungewöhnlich lange getagt und die unklaren Informationen über eine oder mehrere Waffen, die bei Hausdurchsuchungen vor und direkt nach den tödlichen Schüssen gefunden worden seien. Beides lege nahe, daß die Sachverhalte komplizierter seien, als sie auf den ersten Blick erscheinen und daß bestimmte Informationen zurückgehalten würden. Am frühen Nachmittag fand in Bonn eine Demonstration der Polizei statt.