Eine Mordwaffe, noch kein Täter

■ Die Waffe, mit der einer der beiden Polizisten von der Startbahn West erschossen wurde, lag in der Frankfurter Wohnung, in der die Polizei einen der Verdächtigen festnahm / Noch Widersprüche über den Tathergang / Bonn wartet noch mit schärferen Gesetzen

Von Klingelschmitt & Platen

Frankfurt (taz) - Nach Abschluß der ballistischen Untersuchungen im hessischen Landeskriminalamt steht fest, daß der 44jährige Polizeihauptkommissar Klaus Eichhöfer an der Startbahn West mit der Waffe erschossen wurde, die einem Zivilpolizisten 1986 während einer ALKEM–Demonstration in Hanau geraubt worden war. Wie der Sprecher der Bundes anwaltschaft (BAW), Prechtel, gegenüber der taz bestätigte, ist die Waffe - eine Sig–Saur–Pistole, Kaliber 9 mm - im Rucksack einer am Dienstag gegen sechs Uhr früh in Frankfurt festgenommenen männlichen Person gefunden worden, nebst zwei leeren Magazinen, Leuchtspurmunition und einem Gerät zum Abfeuern derselben. Obgleich der Name des Verhafteten bereits am Nachmittag über die Agenturen lief, wollte Prechtel die Identität des Mannes nicht preisgeben. Inzwischen steht allerdings fest, daß es sich bei dem Festgenommenen, der am späten Mittwoch nachmittag noch immer nicht dem Haftrichter vorgeführt worden war, um den 33jährigen Angestellten Andreas Eichler handelt, der von der Polizei - mit Rucksack - in der Wohnung seiner Freundin aufgefunden worden war. Gegen Eichler läuft bereits ein Ermittlungsverfahren wegen des Verdachts auf Umsägen eines Strom mastes. Neben Eichler soll sich gestern noch ein weiterer Tatverdächtiger in Polizeigewahrsam befunden haben. Wie Prechtel auf Anfrage der taz weiter mitteilte, seien in der Nacht an der Startbahn mindestens vier Schüsse gefallen, denn sowohl die zwei toten, als auch die beiden verletzten Polizeibeamten hätten Schußverletzungen davongetragen. Allerdings wurden bisher erst drei Projektile gefunden. Ob diese anderen Projektile gleichfalls aus der bei Eichner gefundenen Waffe stammen, könne noch nicht gesagt werden, da hier die ballistischen Untersuchungen noch andauerten. Am Mittag hatte der hessische Ministerpräsident Walter Wallmann der Bundespressekonferenz seine Erkenntnisse über die Art der Schußverletzungen bei den beiden an der Startbahn west getöteten Polizeibeamten mitgeteilt. Fortsetzung und weitere Berichte auf Seite 2 und 3 Der 44jährige Einsatzleiter und der 23jährige Beamte seien beim Rückzug getroffen worden. Den älteren habe ein Bauchsteckschuß von vorn getroffen, der Jüngere sei „von hinten“ getötet worden. Wallmann erklärte dazu: „Ich ziehe daraus keine Schlußfolgerungen, es gibt alle möglichen Versionen, was sich dort abgespielt haben kann.“ Der Sprecher der Bundesanwaltschaft Prechtel hatte am frü hen Nachmittag eine weitere Version. Er erklärte, daß der Rückenschuß ein Gerücht sei, von dem er auch schon gehört habe. Prechtel: „Die beiden Getöteten haben beide Schüsse von vorne in den Bauch bekommen, beides Bauchsteckschüsse.“ Prechtel versicherte, er habe seine Information „Alles von vorn!“ von dem ermittelnden Sonderkommando. Eine Nachfrage bei den Ärzten der Flughafenklinik, in die die getöteten und schwerverletzten Beamten eingeliefert worden waren, endete bei der Pressestelle der Flughafen–AG. Deren Pressesprecher teilte mit, daß Anfragen von Journalisten an die Pressestelle der Bundesanwaltschaft gerichtet werden müßten. Den Ärzten sei aufgegeben, bis auf weiteres gar nichts mehr zu sagen. Für Verwirrung sorgte auch die am Dienstag verbreitete Erklärung der Bundesanwaltschaft, wonach aus den Reihen der vermummten Startbahn–Demonstranten das Kommando: „Scharfschützen Feuer!“ gekommen sei. Pressesprecher Prechtel relativierte gestern diese Erklärung dahingehend, daß „dieser Komplex noch nicht abschließend geklärt“ sei. Es seien auch Polizeibeamte am Tatort gewesen, die dieses Kommando nicht gehört hätten. Die Bundesregierung erwägt nach diesem bisher schwersten Zwischenfall bei gewalttätigen Demonstrationen ein schärferes Demonstrationsstrafrecht. Das Bundeskabinett beschloß am Mittwoch die Überprüfung des Versammlungsrechtes und des Landfriedensbruchsparagraphen. Ferner soll eventuell für die schon jetzt strafbare Vermummung von Demonstranten generell ein Straftatbestand geschaffen werden. Auch über die Einführung des sogenannten strafbewehrten Vermummungsverbotes traf die Bonner Regierung gestern noch keine Entscheidung.