Neue Härte gegen NS–Opfer

■ Koalitionsparteien zogen Antrag zur Entschädigung der NS–Opfer durch / Mitgefühl statt Anerkennung für die Opfer / Änderungsanträge der SPD und der Grünen wurden abgelehnt

Aus Berlin Klaus Hartung

Am Dienstag haben die Koalitionsparteien in einer hastig abgewickelten Innenausschußdebatte ihren Antrag zur Entschädigung der NS–Opfer durchgezogen. Die Erschütterung auch der CDU– und FDP–Parlamentarier nach der ersten Anhörung der NS–Opfer im Juni dieses Jahres ist verschwunden. Übriggeblieben ist nur noch Sorge ums Geldausgeben. Im Ausschuß wurde debattiert, warum die Vertreterin der Grünen, Antje Vollmer, nicht zur interfraktionellen Informationssitzung am Montag hinzugezogen wurde. Gerster (CDU) dazu: „Solange Frau Vollmer den beleidigenden Satz von der zweiten Phase der Verfolgung nicht zurücknimmt, haben die Grünen keinen Anspruch auf Information.“ Aber gerade auf dem Hearing im Juni haben Vertreter der Verfolgtenverbände und selbst der Vorsitzende des Zentralrates der Juden, Nachmann, bestätigt, daß die These von der „zweiten Verfolgung“ (durch die Praxis der Wiedergutmachung) gerechtfertigt ist. Auch sollte Renate Schmidt (SPD), um einen Keil zwischen die Grünen und SPD zu treiben, darauf festgelegt werden, daß sie am Montag den Koalitionskompromiß begrüße, denn es sei „mehr als erwartet.“ Faktisch hatte sie gesagt, es sei mehr, als sie von der Regierungsparteien erwartet habe, aber es sei nur „mehr als Nichts.“ Dieses „Mehr als Nichts“ sieht so aus: Den Opfern wird „Mitgefühl“ statt „Anerkennung“ ausgesprochen. Das Bundesentschädigungsgesetz und der Härtefonds wird als „maßgebliche Grundlage für eine endgültige Abschlußregelung“ definiert. Es ist aber Konsens aller Verfolgtenverbände, und letztlich auch Ergebnis des Hearings vom Juni, daß dies nicht der Fall ist, daß die Regelung darüber hinaus als diskriminierend betrachtet werden muß. Mitbestimmung an der Vergabe von Geldern aus dem Härtefonds wird konsequent abgelehnt. Eine Veränderung des Beirates des bestehenden Härtefonds war vor allem Ziel der Sinti und Roma. Sie hatten sich, in der Hoffnung, daß sich da etwas ändere, in einer Presseerklärung zusammen mit der FDP vom 9. Oktober, von den Forderungen der Verfolgtenverbände, der SPD und der Grünen distanziert. Ihre Kompromißbereitschaft ist nicht gelohnt worden. „Besonders dramatisch“ nennt Antje Vollmer den Versuch, daß über die Vergaberichtlinien nach dem Willen der Koalitionsparteien gar nicht mehr im Parlament diskutiert werden soll, sondern daß das Bundesfinanzministerium nur aufgefordert wird, darüber den Ausschuß „zu informieren“. Gravierend ist die hartnäckige Verteidigung des „Territorialitätsprinzips“, das heißt Entschädigungsregelungen nur für diejenigen, die im Bundesgebiet wohnen. Inzwischen haben sich aber vor allem in Polen und den Niederlanden ehemalige Zwangsarbeiter des Dritten Reiches organisiert. Sie haben die Entschädigungsdebatte seit 1985 als Signal der Hoffnung verstanden. Sie hätten mit dem Koalitionskompromiß keine Chance. Alle Änderungsanträge, die SPD und die Grünen hilfsweise in der Ausschußdebatte stellten, wurden abgelehnt. Renate Schmidt (SPD) appelliert an die Solidarität der Verfolgtenverbände. Grüne und SPD werden alle bestehenden Gesetzesvorschläge in den Bundestag einbringen. Die Grünen werden darüber hinaus die Kommunen auffordern, Ehrenbürgerrechte für NS– Verfolgte anzustreben, die Zwangsarbeiterfrage erneut ins Parlament bringen und im übrigen darauf dringen, daß Stiftungslösungen in den Ländern vorangetrieben werden.