Der Preis des Hamburger stimmt noch

Was ist der Unterschied zwischen einem Yuppie und einer „Taube“? Der Witzbold schwenkt seinen importierten Burgunder gekonnt im bauchigen Edelglas und schaut erwartungsvoll in die Runde. „Wieso Unterschied“, kontert es aus knallrotem Munde von einem Federmaskengesicht, „die Yuppies fliegen jetzt doch auch scharenweise“. Verhaltener Lachapplaus. „Viel gravierender“, grinst der junge Mann, der mittlerweile sein verrutschtes Dollarkostüm zurechtgerückt hat, „eine Taube kann wenigstens noch ein deposit auf einen BMW hinterlassen. Der Yuppie kann sich keinen BMW mehr leisten.“ Diese Variation der zigfach kursierenden Yuppie–Witze findet unverhaltene Zustimmung. Oder hat man da doch eine kurze grimmige Furche im Backengrübchen eines anderen feiernden Junggentleman entdeckt? Einer der wenigen übrigens, die unver kleidet zur Party kamen. Anwalt, wie man es doch ahnte. Gemeint sind natürlich nicht die jeweiligen Bürger, sondern Märkte. Aber wer eine Weile in den USA lebt, wird er sich ohnehin verkneifen, in solchen Kleinigkeiten empfindlich zu sein. New Yorker verhalten sich derzeit, als wären sie schlecht getarnte Börsenterminals, die zu jeder Tages– und Abendstunde wie von einer unsichtbaren Fernbedienung geleitet Dow–Jones–Indexe und Wechselkurse runterrasseln. Und obligatorische Partytermine wie Halloween am vergangenen Samstag wirken da pötzlich wie wohltuend unverrüttelbare Konstanten, die nach der mehrfach bewahrheiteten Regel verlaufen: Je schwärzer die Zeiten, desto größer die Feste. Aber da jagt einem der Herr Anwalt mit Insider–Unterton gleich noch einen größeren Schrecken ein: „Es wird noch schlimmer kommen.“ Am Dollarkurs vollzog sich diese Prognose schon drei Tage später. „Historisches Tief“ hieß es da plötzlich. Aber nicht etwa auf den Titelseiten, sondern ordentlich versteckt in den jeweiligen Wirtschaftsteilen der Tageszeitungen. Ganz untypisch verzichteten auch die Boulevardblätter auf den Einsatz von rasenden Reportern, die sich gewöhnlich dem Anliegen des „kleinen Mannes auf der Straße“ verpflichtet fühlen und bedauernswerte Kleinfamilien ausmachen, die nun ihre lang ersehnte Reise - nach Europa - stornieren müssen, oder eben all jenen Sparbuchluxus, der nun durch den gefallenen Dollar erheblich geschrumpft ist. New York schult in kollektiver Verdrängungsstimmung und geht bruchlos „und nun zur guten Nachricht“ über: Amerikanische Exporte sind wieder konkurrenzfähig; Importe werden teurer, was an die Aufkleber erinnert, die sich in immer mehr Läden der Finanzmetropole ausbreiten: „be proud, buy american“. Amerikanische Produkte werden also auch wieder im Inland absetzbar. Ein bißchen Nationalstolz und ein bißchen knapp bei Kasse, da läßt sich Patriotisch– mit Pragmatischsein vielleicht doch verbinden. Wenn bloß diese Yuppies nicht wären, die meinen, ohne warmen Ziegenkäse (kalt importiert aus Frankreich), flotte BMWs und stabile Mercedes, ohne Kenia–Camping und italienisches Dekor mache das Leben keinerlei Sinn. Andererseits: Wer würde einen besseren Sündenbock abgeben, über wen ließen sich flottere Witze reißen? Jetzt aber keine scheinheiligen Sympathien. Mit ihrem Importfimmel werden die auch noch die Hamburgerpreise versauen. Dann ließe es sich womöglich nicht mehr verbergen, daß der Dollar gefallen ist. Gisela M. Freisinger